Page - 17 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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1.5 Diemusikalisch aktivenGruppen
gemachtenVorschläge die zuvieleVorberei-
tungen und vorläufigeBelehrungen desVol-
kes undClerus erheischen, gerathener sey,
auf eine gelegenere Zeit zu warten. So ur-
theilteman zu einerZeit, in dermanbereits
mehrere Reformen kühn durchgesetzt hat-
te.“107
Hier wird nichts weniger mitgeteilt, als dass die
Gottesdienste in der Stadt Salzburg und damit auch
amSalzburgerDomzwischeneinerunbestimmtenZeit
vor 1786 und 1828 keiner grundlegendenReformun-
terzogenwurden. InVerbindungmit den anderen ge-
nanntenDokumenten, die auf große organisatorische
Kontinuität schließen lassen, lässt sich daraus folgern,
dass dieGottesdienstordungvon1828 eine liturgische
Praxis beschreibt, die bereits mindestens seit dem
Beginn des 18. Jahrhunderts in ihren Grundzügen
bestand. Für die Erforschung derMusik amSalzbur-
ger Dom haben wir damit erstmals ein Dokument
vor uns, das –mit allerVorsicht –Rückschlüsse auf
das 18. Jahrhundert zulässt. Damit sindmusikalisch-
liturgischeAbläufegreifbar,überdiebisherbestenfalls
Vermutungen angestellt werden konnten.108
Ad6. IneinemkleinenBüchlein,dasnurmit„1822–
1836“ überschrieben ist109, hat sich einMitglied des
Domchores, vielleicht einChorregent, detailliertNoti-
zenüberdie liturgischenundmusikalischenAufgaben
desDomchores,überBeginnzeitenundungewöhnliche
zeremonielleVorgänge gemacht.Diese imFolgenden
alsNotizen zitierten Aufzeichnungen stammen aus
dem zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts (mit ge-
legentlichen späteren Eintragungen), sind abermit
gebührender Vorsicht (siehe oben) auch auf das 18.
Jahrhundert anzuwenden. Diese Quelle bietet – in
Ergänzung zu den anderenDokumenten –Einblicke
indie liturgisch-musikalischePraxis, die selten schrift-
lich niedergelegtwurden.
107AES,Altbestand,AT-AES1.2.22/68Gottesdienstordnung,
Addendum, 5. August 1828, S. 1–2.
108Hochradner, Thomas: „ZumMusikleben am Salzburger
fürsterzbischöflichenHof in der erstenHälfte des 18. Jahr-
hunderts“, in:Thomas Hochradner (Hrsg.):Bach – in
Salzburg. Festschrift zum25-jährigenBestehen der Salzbur-
gerBachgesellschaft,NeukirchenamGroßvenediger:Verlag
Tauriska 2002, S. 64–83.
109AES,Altbestand,AT-AES 1.2.1/42/2. 1.5 Diemusikalisch aktiven
Gruppen
Domchor undKapellknaben
Wichtigste Säule derKirchenmusik an derMetropoli-
tankirchewar derDomchor, der sich im 18. Jahrhun-
dertausetwa20DomchorvikarenundachtDomchora-
listenzusammensetzte,wobei ersterePriester, letztere
weltliche Sängerwaren.110 1757, als LeopoldMozart
denDomchor für dieHistorisch-KritischenBeyträge
zur Aufnahme derMusik auflistete111, waren zwölf
Tenöre, dreizehnBässe und zweiAlt-Falsettisten, die
gegebenenenfalls auch in denTenor oderBasswech-
seln konnten, imChor angestellt. Die Leitung hatten
zwei zuDomchorregenten gewählteDomchorvikare,
die „wechselweis dieDirectionbeydemtäglichenGot-
tesdienst, nämlich beymChoral undContrapunct, da
dieCammermusik nicht gegenwärtig ist“112, hatten.
Vier von denDomchoralistenmussten zudem fähig
sein, denKontrabass in derBasso-continuo-Gruppe
zu spielen. Das Orgelpositiv wurde vomDomstifts-
organisten versehen113, etwa ab den 20er-Jahren des
19. Jahrhunderts leistete auch diesenDienst einMit-
glied desDomchores.114
ZumDomchor gehörten auch die Kapellknaben,
für diemit demKapellhaus spätestens seit 1677 ein
eigenesAusbildungsinstitut bestand. Fürsterzbischof
MaxGandolphwaresgewesen,der1677einHaus„für
110DasDomchorpersonal setzte sich seit altersherausDomchor-
vikaren geistlichen undDomchoralistenweltlichen Standes
zusammen.Die fürfiguraleVokalmusikerforderlichenhohen
Stimmlagenwurden vonden „Praebentisten“ derDomschu-
le und den „Corporalern“ besetzt. Letztere gehen auf eine
Stiftung des Salzburger BürgersMartinAufner im Jahre
1432 an die Stadtpfarrkirche (der späterenKirche derFran-
ziskaner) zurück. In der „Generalvisitation“ von 1614wer-
den sie als „Choralistaeminores“ bezeichnet.WolfDietrich
hatte diePraependisten durchdie „Corporaler“ ersetzt und
nicht nur baulicheVorkehrungen für derenUnterbringung
geschaffen, sondern sie auch in die Dommusik integriert.
Vgl. Spies, Hermann: „Die Tonkunst in Salzburg in der
Regierungszeit des Fürsten undErzbischofsWolfDietrich
vonRaitenau (1587–1612)“ [Teil 1], in:Mitteilungen der
Gesellschaft für SalzburgerLandeskunde, 71 (1931), S. 1–64,
hier: S. 37–64.
111[Mozart, Leopold]: „Nachricht von dem gegenwärtigen
Zustande derMusik Sr. HochfürstlichenGnaden des Erzbi-
schoffs zu Salzburg im Jahr 1757“, in:Historisch-Kritische
Beyträge zurAufnahme derMusik, Bd. 3, (1757), S. 183–
198.
112Ebd., S. 192.
113Dieser konnte gelegentlich, etwa zu JohannBaptist Sambers
Zeiten, gleichzeitig Stadtpfarrorganist sein.
114Vgl. AES, Dommusikverein und Mozarteum, AT-AES-
1.2.AXd, 263.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur