Page - 19 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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1.5 Diemusikalisch aktivenGruppen
DasTeDeum ist figurate.
DiePsalmenderLaudes sindwie [in] einer
figuratenVesperwechselweis choraliter und
falso partono gesungen.
Das Haec dies ist Contrapunct und das
Benedictus ebenfalls Contrapunct und abge-
schlagen.“121
Demnachwurde bei diesemGottesdienst amKar-
samstag einerseitsChoral gesungen unddieser vom
Domstiftsorganistenmit derChororgel imPresbyte-
riumbegleitet. Bei anderenGelegenheiten,wiePro-
zessionen,wurde derChoral aber durchaus auch un-
begleitet gesungen.Unter „falso partono“ istFalso-
bordone-Gesang zu verstehen, der gemeinsammit den
Kapellknaben ausgeführt wurde. Andere Motetten
wurdenmehrstimmig vermutlichmitBegleitung des
Orgelpositivs und einesKontrabasses, die beide im
Presbyterium zurVerfügung standen, aufgeführt. Bei
diesermit „Contrapunct“ bezeichnetenmusikalischen
Praxis, die bereits vonLeopoldMozart erwähntwird,
wurdebisweit ins 19. Jahrhunderthineinausden teil-
weise aus dem17. Jahrhundert stammendenChorbü-
chern oder aus im 18. Jahrhundert daraus gezogenen
Stimmendas alteMotetten-Repertoire gesungen.122
Dass demnach bisweilenmehrstimmig ohne instru-
mentaleBegleitunggesungenwurde,bringteinetermi-
nologischeKomplikationmit sich, die in denQuellen
wiederholt begegnet. So können dieAusdrücke „figu-
rate“, „figurieren“ etc. allgemein und übergreifend
„mehrstimmiges“ Musizieren meinen, was auch die
von LeopoldMozart erwähnte Praxis des „Contra-
punct, da dieCammermusik nicht gegenwärtig ist“,
einschließt.123Auf einer zweiten, enger gefasstenBe-
deutungsebenemeinen entsprechendeAusdrücke den
121AES,Altbestand,AT-AES 1.2.1/42/2, S. 33–35 [36–38].
122Hinweise auf diese Praxis beiHintermaier, Ernst:Ka-
talog des liturgischenBuch- undMusikalienbestandes am
Dom zu Salzburg. Teil 2:DieMusikhandschriften undMu-
sikdrucke inChorbuch-Notierung, Salzburg: Pustet 1992,
(Veröffentlichungen zur SalzburgerMusikgeschichte, 3; zugl.
Schriftenreihe des Salzburger Konsistorialarchivs, 1), S. 41,
Anm. 10, sowieHochradner: „ZumMusikleben“, S. 80–
83, undHochradner, Thomas: „‚ZwischenHöhepunkten‘.
Die ersteHälfte des 18. Jahrhunderts“, in: Jürg Stenzl/
ErnstHintermaier/GerhardWalterskirchen (Hrsg.):
Salzburger Musikgeschichte. VomMittelalter bis ins 21.
Jahrhundert, Salzburg u.München: Pustet 2005, S. 228–
254,hier: S. 243.Vgl. auchdenvorliegendenBandabS. 136.
Im vorliegendenFall kommt derGebrauch desChorbuches
W.b.XVII. in Frage.
123Vgl. dazu zahlreicheBewerbungsschreiben vonMusikern in
AES,Altbestand,AT-AES 1.2.5/25/15. instrumental begleitetenGesang, zumeist inderKom-
bination vonChor, Solisten undOrchester,wie sie an
höherenFesten aufgebotenwurde, wenn zu demmu-
sikalischenGrundstockdesDomchores dieGesangsso-
listenundOrchestermusiker der fürstlichenHofmusik-
kapelle hinzutraten.124Das amKarsamstag alsAb-
schluss derMatutin „figurate“ ausgeführteTeDeum
wurde demnach von allenMusikern einschließlich des
Orchesters gemacht. So kamgerade bei der nächtli-
chenOsterfeier die freudigeBotschaft desFestes auch
in der sukzessivenEntfaltung derBesetzung – vom
‚alltäglichen‘ Choralgesang zumprunkvoll-feierlichen
Te Deum – zum Ausdruck. Selbstverständlich war
auch der Fürsterzbischof bei dieser zwar nicht dem
römischenRitus entsprechenden125, aber imVolk un-
gemein beliebtenFeier zugegen.
„[...] gegen dreyViertl auf 9.UhrNachts
kommen seine Hochfürstliche Gnaden etc.
etc. in rothenHabit undCappa angethan,
mit sammentlicher Corteggio und in Be-
gleitung des hochwürdigstenDom=Capitels,
vonDeroZimmerauß, inVortragungdeßLe-
gaten=Creutzes, in deroDom=Kirchen zu
demheiligenGrab herunter, nehmen allda
die Pontifical-Paramenta an, und empfan-
gen auß denen Händen eines (Titl) Herrn
Herrn Dom=Capitularen das Allerheiligis-
te Sacrament deßAltars, und tragenAller-
höchst=Dasselbe inCorteggio der samment-
lichen Hof=Statt auß dem heiligen Grab
Processionaliter auf den St. Francisci Al-
tar, [...], undwerden auch unter diser so-
lemnenAuferstehung auf dem sogenannten
Mönich=Berg die Stuck undCanonen abge-
feuret. Nachdemewird imChor dieMetten
gehalten, und also derBeschluß von der hei-
ligenWochen gemachet.“126
DiePlätze derDomchorvikare und -choralistenwa-
renimPresbyterium.Dortsaßensieentweder imChor-
gestühl oder sie waren umdie Pultemit denChorbü-
124IndiesemSinnenachzuweisenvor allemAnfangdes 19. Jahr-
hunderts; vgl. etwaDie Figuratmusik in der Domkirche
betr[effend] vom 13.5.1827 inAES, Dommusikverein und
Mozarteum,AT-AES-1.2.AXd 263.
125Eisenhofer, Ludwig:Handbuch der katholischen Liturgik,
2 Bände, Freiburg imBreisgau:Herder&Co. 1941, Bd. 1,
S. 548.
126Hofkalender 1751.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur