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2.1 Das 17. und 18. Jahrhundert
Pfarrkirchen, einzuführen.UmdieseReformumzuset-
zen, bestellte ermit JohannesLampeausHalberstadt
einenZeremoniar, der ebenfalls amCollegiumGerma-
nicum seine Studien abgeschlossen hatte und den er
mit allendazu erforderlichenVollmachtenausstattete.
Ein erster Erfolg dieserReformenwar die päpstli-
cheBewilligungdesOrdoRomanus für dieErzdiözese
Salzburg durch Papst Clemens VIII. am 26. Okto-
ber 1596. Etwas verspätet wurde 1605 einMissale
Salisburgense iuxta ritum& consuetudinemSanctae
Romanae Ecclesiae restitutum, ausgestattetmit zahl-
reichenKupferstichen, u.a. vonHansWaldburger, in
derOffizinvonConradKyrner inSalzburg gedruckt.6
Der erst 28-jährigeErzbischof trachtete seineHof-
haltungandenbenachbartenResidenzenzuMünchen
undWien bzw. Prag zu orientieren und zumessen,
wo unterOrlando di Lasso inMünchen undPhilippe
deMonte (1521–1603) inWien und Prag die geist-
licheMusik der Spätrenaissance außerhalb Italiens
einen letztenHöhepunkt erreichte. ImGegensatz zu
seinemCousin undNachfolgerMarkus Sittikus galt
dasAugenmerkWolfDietrichs offensichtlichweniger
der höfischen als der geistlichenMusik, insbesondere
jener, die für diewürdevolleGestaltung der Liturgie
imGottesdienst geschaffenwurde.
Mit der „Fundation einer neuenChormusik“ erhoff-
te sichWolfDietrich in einem zweiten Schritt einen
grundlegendenWandel der liturgischenMusikpflege
amDom. Sie hatte zumZiel, die „Dommusik“, die
demDomkapitel unterstand,mit der aus dermittelal-
terlichen „Cantorey“ hervorgegangenen „Hofmusica“
zu verbinden und auch sie demErzbischof zu unter-
stellen, da das Domkapitel die von ihmmehrmals
vorgebrachtenBeschwerdennicht ernstnahmundnur
wenigeVerbesserungsmaßnahmen treffenwollte. Be-
reits zwei Jahre zuvor hatteWolfDietrich auch die
Musik ander Stadtpfarre neuorganisiert und ihr eine
finanzielleGrundlage gegeben (→S. 78).
DieNeuorganisation der „hochfürstlichenMusica“
bedurfte jedoch eines längeren Zeitraumes. Im Sep-
tember 1589 berichteteDomscholasticusAntonGraf
Lodron demKapitel, dass derErzbischof „ummeh-
rerer zierlicher Verrichtung des Gottesdienstes und
Aufrichtung einerMusicen imDomchor jährlich 2000
6DasArchiv derErzdiözese verwahrt heute in seinerBiblio-
thekmehrereExemplare alsDepositaverschiedenerPfarren
derErzdiözese. Gulden hergebenwolle“7. DasDomkapitel reagierte
daraufunderließneueStrafbestimmungen fürwillkür-
licheAbsenzendesDomchorpersonals inderHoffnung,
dasNiveauderChormusikamDomdadurchhebenzu
können.DieAufsicht undObsorge für die Chormusik
wollte das Domkapitel jedoch noch nicht abgeben.
Ein Jahr später konfrontierteWolf Dietrich erneut
dasKapitel in dieser Sache und ließ diesemmitteilen,
dass er dieAbsicht hege, eine „ordentlicheChormu-
sik“ zu gründen, da „der größte Teil der Vikarien
gar übel bestimmt und der Chor schlecht versehen
sei“8. Eine Kommission sollte deshalb prüfen, „wie
manmit besseren, tauglicheren und bas [= besser]
bestimmtenPersonenmüge aufkommen“. ImJänner
1591 forderte er „wegen der Fundation einer neuen
Chormusik“ noch einVerzeichnis aller Chorausgaben
und Chorpersonen an9, ließ jedoch den Status quo
bis Jänner 1597 auf sich beruhen.
ImDezember zuvor veranlasste nämlich einVorfall
denErzbischof, die Idee derReformierung derDom-
musikwieder aufzugreifen.DenAnstoß dazu gab ein
Domchorvikar, derwährend der liturgischen Zeremo-
nien imDomdasMissfallen desErzbischofs erregte.
Über dieAuseinandersetzungenmit demErzbischof
berichtet derDomdechant demKapitel,
„dassunserFürstentdecktundmitbeweg-
temGemütsichhabevernehmenlassen:dass
fürstlicheGnadenMissfallen tragenundsich
beschweren, nicht allein ob dem, dass der
DomchordiesesErzstiftesmitVikarien oder
Priesternübelbesetzt, sondernauchsolchem
unvollkommlich besetztenChor noch dazu
defectuosi, (wie jüngstlich beschehen) und
dergleichenPersonen aufgenommenwerden,
darob die Gemain des Volkes (defect hal-
ber,mit denen sie beladen), sich zu ärgern
verursachtwerde.Demnach haben dieselbe
[fürstlicheGnaden] ernstlichenGemütes be-
gehrt, dass bemelter Chor mit tauglichen
Priestern wieder besetzt werde.Widrigen-
7Domkapitel-Protokoll vom 28. September 1589, zit. nach
Spies: „DieTonkunst in Salzburg“ [Teil 1], S. 47.
8Domkapitelprotokoll vom27. September 1590, zit. nach ebd.,
S. 47.
9Domkapitelprotokoll vom 22. Jänner 1591, zit. nach ebd.,
S. 47.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur