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2 Geschichte derMusik an derMetropolitankirche
In allen Berichten wird die „überaus ansechliche
Music“währendderMessfeier hervorgehoben, die der
Erzbischof im Anschluss an die Prozession und in
Gegenwart der geladenenGäste „solenniter verrich-
tet“ hat. Vor allemwird das abschließendeTe De-
um erwähnt undhervorgehoben, das „sehr stattlich
gesungen worden“ ist und, wie die Berichterstatter
übereinstimmendbemerkten, „von den besten unnd
fürtrefflichisten Musicis auff underschidlichen Chö-
ren gehalten“wurde.DieBeschreibung vonThomas
Weiss17, des ersten Rektors der von Paris Lodron
gegründetenUniversität, vermittelt uns eineVorstel-
lung,wodieMusikeraufdenzurVerfügungstehenden
Emporenmusizierten:
„Unterdessen begann der durchlauchteste
und hochwürdigste Erzbischof, dasMessop-
fer zu verrichten.Da aber verteilte derGe-
sangslehrer [!], Herr StephanBernardi aus
Verona, eine gewaltigeAnzahl seinerMusi-
ker auf dieChöre.WasglaubstDu,wie viele
eswaren? Ich versichereDir, eswaren zwölf,
welche sich auf denMauervorsprüngen, die
manOratorien nennt und die ausMarmor
sind, überall zur Schau stellten.Hier ist al-
les vollmitKrummhörnern, Lauten, Posau-
nen, Pfeifen, Zithern und allerlei anderen
Musikinstrumenten.Man gelangt zumTe
deum laudamus: OGottheit, o ihrHimm-
lischen! Es klingt und singt der Lobpreis.
Kaum jemand ist in diesemGotteshaus, der
dies nicht hört. Die Anwesenden sind aufs
Höchste ergriffen,undes trügtnichtdieMei-
nung,man sei imHimmel, jawahrlich unter
denhimmlischenVölkern.Und sogabesnie-
manden, und sei er derFrömmigkeit noch so
widersetzlich und so verschlossen, demnicht
einambrosisches (liebliches)Seufzerleinoder
„DasFest zurWeihe des SalzburgerDomes 1628“, in:Pe-
terKeller (Hrsg.):Erzbischof Paris Lodron (1619–1653).
Staatsmann zwischenKrieg und Frieden. [Dommuseumzu
Salzburg 2003, 16. Mai bis 26. Oktober 2003], Salzburg:
DommuseumzuSalzburg 2003, (Mitteilungen derGesell-
schaft für Salzburger Landeskunde/Ergänzungsband 20),
S. 84–87.
17Weiss,Thomas:BasilicaeMetropolitanaeSalisburgensisDe-
dicatio SS: Ruperti et Virgilii in eandem translatio [...],
Salzburg:ChristophKatzenberger 1628, zit. in:Hintermai-
er: „Es kundt imHimmel“, S. 139f. ein demütig flehendesWörtchen entschlüpft
wäre.“18
ThomasWeiss erwähnt dieVerteilung derMusiker
auf zwölf Emporen unddamit auch die beidenEmpo-
ren an den altarnahen, bereits 1628mit zweiOrgeln
ausgestattetenVierungspfeilern. Neben zahlreichen
Instrumenten nennt er – was ungewöhnlich ist und
in späterer Zeit in bildlichen und schriftlichenDoku-
menten nur ganz selten vorkommt – auch denjenigen
namentlich, der dieMusiker auf dieChöre verteilte,
nämlich StefanoBernardi, der eineinhalb Jahre zuvor
nach Salzburg berufen worden war.19 Bernardi fiel
fortan auch dieAufgabe zu, dasMusikrepertoire der
neuenDomkirche vonGrund auf neu zu erstellen.
Dafür wurde ihm der Notenkopist Georg Moser
beigestellt, der dafür zu sorgen hatte, dass die erfor-
derliche figuraleMusik inChorbücher kopiert (ingros-
siert) wurde. Eigentlich hätte sich Erzbischof Paris
Lodron vonBernardi liturgischeNeukompositionen
erwarten können,wasBernardi jedoch nur zu einem
geringenTeil erfüllte. Er stellte seinem Ingrossisten
Moser für dessenChorbuchnotierungen überwiegend
Kompositionen zur Verfügung, die er bereits Jahre
zuvor in Stimmendrucken überwiegend in Venedig
veröffentlicht hatte und dieMosermitOpuszahlen in
die datiertenChorbücher aufnahm.20
StefanoBernardi verließ Salzburg 1634 und kehr-
te in seineGeburtsstadtVerona zurück, wo er 1637
starb. Seine letzte gedruckte Sammlung geistlicher
Musik, dieEncomia sacra (Geistliche Lobreden), er-
18Übersetzung vonKerstinHederer, zit. nachHintermaier:
„Es kundt imHimmel“, S. 139f. „Sub haec Jllust. &Re-
verendis. Archiepiscopus sacris operari coepit. Tumautem
PhonascusD. StephanusBernardiVeronensis,Musicorum
suorummaximumnumerum inChoros distribuit, quot cen-
ses? duodenos affirmo, quos projecta è parietibus quae vo-
cantOratoria [demarmore composita] ubique exponebant.
Hic omnia plena panduris, testudinibus, tubis, buccinis,
fistulis, Citharis, quaeque aliamusicis instrumentasunt. Ve-
nituradTeDeumLaudamus, oNumen,oCoelites! sonatur,
cantatur, psallitur: pene inTemplo non sunt, qui audiunt.
Altissimèpresentespenetravit, nonvanaopinio, se inCoelo,
reverà interCoelites adesse, id circò tamadpietatemobsti-
natus nemo,& tam clausus nemo, cui non aut ambrosium
suspiriolum, aut supplex verbulume lapsum fuisset.“
19SeinBericht hatte für die SalzburgerMusikgeschichtsschrei-
bung des späten 19. und 20. Jahrhunderts gravierendeFol-
gen, die noch heute nachwirken.
20A-Sd, W.b.VI. ([Opus I], 1629): Messen und Requiems;
W.b.XI. (Opus II, 1630): doppelchörigeMessen undOffer-
torien;W.b.XX. (Opus III, 1631):Magnificat-Vertonungen
undResponsorien;W.b.XXXVIII.: Officiumdefunctorum.
Vgl.Hintermaier:Katalog (1992), sowieHintermaier:
„Es kundt imHimmel“, S. 141–146.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur