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2.1 Das 17. und 18. Jahrhundert
schien beiGregorKyrner in Salzburg 1634 – eine um-
fangreiche Sammlung von 2-, 3-, 4- und 6-stimmigen
geistlichenKonzerten im stile concertato, ganz nach
demVorbild, das LodovicoViadana (um1560–1627)
mit seinenCento concerti ecclesiasticiOp. 12 kreiert
hatte.21Erstmehr als ein halbes Jahrhundert nach
derDomweihe standmit dem 1100-jährigen Jubilä-
umderGründung desErzstifts Salzburg durch den
hl. Rupert 1682 wieder ein ähnlich großes Fest im
Salzburger Dom an, bei dem sich ein vergleichbar
inszeniertesMusizieren auf fünf bzw. siebenChören
nachweisen lässt. Die zu diesemAnlass aufgeführte
Missa Salisburgensis erscheint alsHöhepunkt einer in-
tensivenPflegemehrchörigerMusik, die sich zwarmit
denFeierlichkeiten zurDomweihe 1628 ankündigte,
aufgrund derKriegsereignisse an SalzburgsGrenzen
aber kaumvor derMitte des Jahrhunderts zurEnt-
faltung gelangte.
NachBernardisWeggang aus Salzburg vergingen
sechs Jahre, bis Fürsterzbischof Paris Lodron 1640
mit demKonstanzerDomkapellmeisterAbrahamMe-
gerle (1607–1680) einenNachfolger auf die Stelle des
SalzburgerHofkapellmeisters berief (→ S. 359). Dass
damit ein inweltlicherMusik offensichtlich gänzlich
unerfahrenerMusiker bestellt wurde,macht deutlich,
dass das höfischeMusikleben amSalzburger Fürsten-
hof einenTiefpunkt erreicht hatte.DieBeurteilung
vonMegerles Gesamtwerk wird dadurch erschwert,
dass von seinemangeblich so umfangreichenŒuvre
nur ein bescheidenerRest erhalten blieb: sechs voll-
ständigeWerke, 119 fragmentarische und 20 nur auf-
grund von Titeln nachweisbare Stücke.22 Die von
Bernardi begonneneErweiterung des inChorbüchern
notiertenMusikrepertoires setzteMegerle zügig fort,
obwohl derKopistGeorgMoser nach demWeggang
Bernardis an denKaiserhof gewechselt war. Alle zwi-
schen 1641 und 1649 datierten sieben Chorbücher,
diemitMegerle inVerbindung zu bringen sind, dürf-
ten vonMoser nachVorgabenundVorlagenMegerles
inWien fertiggestellt worden sein. ZweiChorbücher
(W.b.IX. und X.) mit Vertonungen der Gradualia,
Tractus undAlleluia samtVers über den cantus fir-
21Aus welchen Gründen weder der Verleger Gregor Kyrner
noch der Autor oder Erzbischof Paris Lodron selbst die
SammlungKaiser Ferdinand II. widmete, bleibt rätselhaft.
22Tenhaef,Peter (Hrsg.):AbrahamMegerle.GeistlicheWer-
ke, BadReichenhall: Comes 1993, (Denkmäler derMusik
in Salzburg, Einzelausgaben, 11). mus in derArt von Stadlmayrs Introiten (W.b.XIX.)
gearbeitet, entstanden in den Jahren 1642 und 1643.
Megerle hat sie wahrscheinlich unter Verwendung
von fremden, bereits vorliegendenKompositionen zu-
sammengestellt, wodurch seineAutorschaft an diesen
Stücken höchst fraglich ist.23
VonMegerles drei imDruck erschienenen Samm-
lungen steht sein Opus primum, dieAra musica24
von 1647,mit Salzburg bzw.mit dermehrchörigen
Musizierpraxis amSalzburgerDom in engerVerbin-
dung. Die umfangreiche Sammlung von ein- bis 24-
stimmigen Propriumskompositionen für das ganze
Kirchenjahrwar offensichtlich in dreiBänden geplant.
Erschienenoder erhaltengeblieben ist jedochnur„To-
mus tertius“mit den „Festa communia“, der 1647bei
ChristophKatzenberger in Salzburg verlegt wurde.
Der Stimmendruck – inmehr als 20 Stimmbüchern
veröffentlicht undErzbischof Paris Lodron gewidmet
– ist bedauerlicherweise nicht komplett erhalten ge-
blieben. Es fehlen mehrere Stimmbücher, darunter
auch die „Vox prima“, sodass sich nurwenigeKom-
positionen rekonstruieren lassen.
Über die vielfältige und abwechslungsreicheBeset-
zung der einzelnen Stücke geben dieBasso-continuo-
Stimme und die „Partitura“ Aufschluss. Den Be-
dürfnissen von schwach besetztenKirchenensembles
kommt die Sammlung dadurch entgegen, dass die
Anzahl an obligaten Instrumenten beschränkt bleibt,
dieAusführung jedoch durchRipien-Chöre beliebig
erweitertwerdenkonnte. Sowar es zumBeispielmög-
lich, dasOffertorium„Confitebuntur caelimirabilia
tuaDomine“mit sechsVokalstimmenundContinuo
à 6,mit zwei sechsstimmigenVokalchören und einem
sechsstimmigen Instrumentalchorà18,mitvierTrom-
petenà 22odersogarmiteinemzusätzlichenvierstim-
migen Ripien-Vokalchor à 26 aufzuführen. Aus der
„Partitura“-Stimme, in der die jeweiligenContinuo-
Stimmen der einzelnen Chöre partiturartig mit de-
tailliertenBesetzungsangaben notiert sind, lässt sich
eine mehrchörige Musizierpraxis ableiten, die vier
Emporen und einen Ripien-Chor im Presbyterium
erforderlichmacht.
23ZuMegerlesArbeitsweise unddendaraus entstehendenKon-
sequenzen für die Katalogisierung seiner Kompositionen
undBearbeitungen siehe S. 359 imvorliegendenBand.
24Megerle, Abraham:Aramusica solemni concentu ad ver-
am et veterum formam redacta [...], Salzburg: Christoph
Katzenberger 1647.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur