Page - 42 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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2 Geschichte derMusik an derMetropolitankirche
Die bis dahin noch fehlenden zweiwestlichenVie-
rungsemporen samtOrgelnwaren unterMegerle im
Jahre1643, alsonochzuLebzeitenvonHofbaumeister
Santino Solari, in dasEnsemble eingefügtworden, so-
dass einMusizieren auf vierChoremporenmitOrgeln
möglichwurde.25
Über zwei Jahrhunderte blieb die damals geschaf-
feneMöglichkeit desMusizierens auf vier erhöhten
Chören im Kuppelraum bestehen. Erst Mitte des
19.Jahrhunderts,nachdemsichnichtnurderMusizier-
undBesetzungsstil, sondernauchderarchitektonische
Geschmackwesentlich gewandelt hatte, sollten imZu-
ge der Renovierung des Dominnenraumes 1859 die
Emporen samt denOrgeln abgetragenwerden. Eine
Stichradierungdes InnenraumesderDomkirche26 gab
FürsterzbischofMaxGandolphGraf Kuenburg um
1675 anlässlich derVollendung der acht Seitenaltäre
in den Seitenkapellen des Langschiffes beim Augs-
burgerKupferstecherMelchiorKüsell (1622–1683) in
Auftrag.Dessen präziseDarstellung der auf vier Em-
poren und imPresbyteriumverteiltenMusiker sucht
ihresgleichen (→S. 125); dieMusikpraxis kann nur
fürwenigeKircheninnenräumemit ähnlichenBilddo-
kumenten belegtwerden.27
AbrahamMegerle folgtenmitAndreasHofer und
Heinrich Ignaz Franz Biber zwei Hofkapellmeister,
die dasmehrchörigeMusizieren auf den inzwischen
bestehenden vierVierungsemporen und imPresbyte-
rium ebenso nutztenwie ihreVorgänger. Sie fanden
unter den Paris Lodron nachfolgenden Fürsterzbi-
schöfenGuidobaldGrafThunundHohenstein (reg.
25Vgl. dazu die Darstellung in Megerle, Abraham:
Speculum musico-mortuale, [Salzburg] um 1672
(http://www.ubs.sbg.ac.at/sosa/rara/Megerle2.jpg),
S. 28, mit der Legende „Wir haben unsere Orgeln
aufgehengt“ – eine umdeutende Übersetzung des Verses
„suspendimus organa nostra“ aus dem 136. Psalm (137
nach hebräischer Zählung), in der das lateinische organum
(Werkzeug, Instrument) inmittelalterlicherTradition auf
den Begriff der Kirchenorgel eingeengt wird. In dieser
Assoziationwird dieMusik imKirchenraum zum irdischen
Vorboten des himmlischen Jerusalem. ZurMusizierpraxis
auf den Emporen in der Domkirche vgl. ab S. 123 und
S. 158 imvorliegendenBand.
26Maße: 71,6× 43,4 cm; dasBlatt konnte bisher nur inAugs-
burg (StädtischeKunstsammlungen) und in Salzburg (Salz-
burgMuseum;Erzabtei St. Peter; ErzbischöflichesPalais)
nachgewiesenwerden.
27Küsell,Melchior;Hintermaier, Ernst etal. (Hrsg.):Die
Innenansicht desSalzburgerDomes (um1675): erstmals im
Faksimile inOriginalmaßen ausAnlaß derWiedererrich-
tung derVierungsemporen vorgelegt, Salzburg:Pustet 1992,
(Veröffentlichungen zur SalzburgerMusikgeschichte, 4; zugl.
Schriftenreihe des SalzburgerKonsistorialarchivs, 2). 1654–1668),MaxGandolphGrafKuenburg(reg.1668–
1687) und JohannErnstGrafThunundHohenstein
(reg. 1687–1709) unterschiedlicheUnterstützung, wo-
bei stets die Pflege geistlich-liturgischer Musik im
Mittelpunkt stand. Musik für höfische Zwecke be-
schränkte sich aufTafelmusik, gelegentliche theatrali-
scheMusik beiHof und auf ganz private Interessen
derErzbischöfe. ‚Opernproduktionen‘ größeren Stils
blieben der Universität mit ihren „Finalkomödien“
vorbehalten.
AndreasHofer (um1629–1684,→S. 354) stammte
aus demSalzburg benachbarten bayerischenReichen-
hall, studierte an derBenediktineruniversität in Salz-
burg undwurde 1654 vonGuidobaldGrafThun zum
Domchorregenten undVizekapellmeister, 1679 von
MaxGandolphGrafKuenburg zumHofkapellmeister
bestellt. Seinemusikalische und theologischeAusbil-
dung hatte er imBenediktinerstift St. Lambrecht in
der Steiermark erhalten, wo er 1653 zumPriester ge-
weihtwordenwar. Zwei gedruckte Sammlungen geist-
licherMusik weisen ihn als begabtenKomponisten
aus:FürsterzbischofGuidobaldGrafThunwidmeteer
1654diekleinbesetztenSalmi conuna voce e doiVio-
lini, eMotetti con e senzaViolini28, Fürsterzbischof
MaxGandolphGrafKuenburg 1677 die Sammlung
Ver sacrum seu FloresMusicimit 18Offertorien zu
fünf und achtVokal- und fünf Instrumentalstimmen.
Beide Sammlungen erfüllten jeneAnsprüche, die an
Hofkapellmeister an einem geistlich-weltlichen Hof
gestellt wurden. Hofers handschriftlich überlieferte
Werke inunterschiedlichstenBesetzungenwerdenheu-
te inmehreren europäischenBibliothekenaufbewahrt,
im Salzburger Dommusikarchiv selbst die meisten,
wenngleich viele ursprünglich ihm zugewieseneWer-
ke heute unter denAnonyma zu finden sind29 bzw.
anderenAutoren, insbesondere demSalzburgerHof-
kapellmeister Peter Gutfreund, zugewiesen werden
müssen.30
UnterHofersNachfolgerHeinrich IgnazFranzBi-
ber (1644–1704,→ S. 342) und dem ebenfalls zu
dieser Zeit als Hoforganist in Salzburg engagierten
28RISMA/I,H 5735.
29Darunter ist ein Zyklus vonResponsorien für dieKarwoche
(A-Sd, A 1568 und CH-E, 498,3), dessen Zuweisung an
Hoferwahrscheinlich, aber noch nicht einwandfrei erwiesen
ist.
30Zahlreiche inEinsiedelnerhalteneStimmenmitdemVermerk
„A.Hofer“, z.B.CH-E, 497,8 oderCH-E, 497,4, haben sich
inzwischen alsWerkePeterGutfreunds erwiesen.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur