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2 Geschichte derMusik an derMetropolitankirche
lag er –wohl geleitet durch dieDarstellung beiAm-
bros/Kade/Leichtentritt – trotz großer Akribie bei
seinenQuellenrecherchen undAnalysenmehreren Irr-
tümern, sodass die Fehlzuweisung undFehldatierung
fürweitere70Jahre festgeschriebenwurde.Noch1969
vertrat LaurenceFeininger, der die Partitur der von
ihmsogenanntenMissa Salisburgensis inOriginalgrö-
ße als Faksimile publizierte36, dieThese, Erzbischof
Paris Lodron hätte die Weihe der Peterskirche zu
Rom1625vorOrtmiterlebtunddamalsmitBenevoli
die Vereinbarung getroffen, für Salzburg 1628 zum
gleichenAnlassähnlichepolychorischeKompositionen
zu schaffen.
Erst anlässlich des 1200-jährigen Jubiläums der
Weihe desVirgil-Domes (774)wurde imHinblick auf
eine Schallplattenproduktion beiderKompositionen
durch HarmoniaMundi (Freiburg) die kolportierte
Entstehungsgeschichte der Partitur hinterfragt und
Benevoli alsAutor ausgeschlossen.37Quellenbefund
und stilistischeNeubewertung ergaben, dass dieAb-
schrift gegenEnde des 17. Jahrhunderts in Salzburg
entstandenwar, womit als Entstehungsanlass die Fei-
erlichkeiten zum 1100-jährigen JubiläumderGrün-
dung des Erzstiftes Salzburg anzunehmenwar und
alsKomponist kein anderer alsHeinrich IgnazFranz
Biber in Frage kam.38
DieMusizierendenwaren auf fünfChori undweite-
re zwei als „loci“bezeichneteOrteaufgeteilt,wodurch
demDominnenraumund seinerAkustik beimHören
eine wichtige Rolle zukam. Das wirkte sich auf die
Harmonik insofern aus, als sie denkbar einfach ge-
halten seinmusste, umbei diesen architektonischen
Gegebenheiten nicht zu verschwimmen.Typisch für
die SalzburgerMusikpraxis in der zweitenHälfte des
17. Jahrhunderts ist auch die Stimmführung: Selbst
in einer so groß besetztenMessewie derMissa Salis-
burgensis sind lediglich zweimal achtVokalstimmen
und von den Instrumenten nur die erste, gelegent-
lich auch die zweite Violine sowie die Clarini und
Trombe selbstständig geführt, alle anderen Instru-
mente spielen colla parte, womit sich der eigentliche
36Benevoli, Horatio; Feininger, Laurence (Hrsg.):Missa
Salisburgensis, Salzburg: Pustet 1969, (Horatii Benevoli:
Opera omnia, 7).
37Hintermaier: „Missa Salisburgensis“.
38Zur genauerenArgumentation vgl. ebd. musikalische Satz auf einen engenKern39 reduziert.
DasWerk ist Teil einerTradition, die sich in der ers-
tenHälfte des 17. Jahrhunderts zu entfalten begann
undmitBibersKompositionen, von denen neben der
Missa Salisburgensis eineReihe groß besetzterMes-
sen undVespermusiken für die SalzburgerDomkirche
wie dieMissa Bruxellensis, dieMissaAlleluia zu 23
Stimmen und dieVesperae à 32 erhalten geblieben
sind, ihrenHöhepunkt erreichte. ImDommusikarchiv
sindvonHeinrich IgnazFranzBibersgeistlichenKom-
positionen relativwenigeWerke erhalten geblieben,
darunter die imDruck erschienenenVesperae longio-
res ac breviores unacumLitaniis Lauretanis40, eine
doppelchörige Josephs-Litanei41 unddasRequiem à
15 inA.42
Mit der 1678 erfolgten Berufung Georg Muffats
(1653–1704) in dasAmt desHoforganisten, das er bis
zu seinemWeggang nachPassau 1690 ausüben sollte,
bekamHeinrich IgnazFranzBiber einen kongenialen
Partner, aber auch einen Konkurrenten. DerWett-
streit dieser beidenMusiker mag dazu beigetragen
haben, dass dieMusik amSalzburgerHof eineBlüte
erreichte, die auf demGebiet der geistlichenMusik
ihresgleichen sucht, vor allemaber auchhochstehende
Instrumentalmusik hervorbrachte. FürMuffatsmu-
sikalischeWeiterbildung hatte FürsterzbischofMax
Gandolph großzügig gesorgt, indem er ihm gleich
nach seinerAnstellung einenAufenthalt inRomge-
nehmigte, umbei Pasquini undCorelli zu studieren.
DasErgebnis dieser Studienwar derArmonicoTri-
buto, eine Sammlung von Sonaten für Streicher und
Basso continuo (Salzburg 1682), dieMuffat demSalz-
39Hochradner, Thomas: „Das 18. Jahrhundert“, in:Horst
Leuchtmann/SiegfriedMauser (Hrsg.):Messe undMo-
tette, Laaber: Laaber-Verlag 1998, (Handbuch dermusika-
lischenGattungen, 9), S. 189–269, hier: S. 197.
40A-Sd,A 173.
41A-Sd,A 435.
42A-Sd,A 181.Die Stimmen zu einerweiterenRequiemkom-
position von Biber, demRequiem in f, die sich bis zum
Anfang des 20. Jahrhunderts ebenfalls in den Beständen
desDommusikarchivsbefandenunddann fürdieErstellung
der Ausgabe in denDenkmälern der Tonkunst in Öster-
reich (Guido Adler, 1923) nachWien verliehen wurden,
konnten von Armin Kircher 2014 in der Bibliothek des
Stiftes Herzogenburg gefunden undmit unserer Hilfe als
SalzburgerMaterial identifiziert werden.Vgl.Biber, Hein-
rich IgnazFranz;Kircher,Armin (Hrsg.):Requiem in
f, [Leinfelden-Echterdingen]: Carus [2015], (Salzburger Kir-
chenmusik). Der überwiegendeTeil vonBibers geistlichen
Kompositionen befindet sich in öffentlichen und klösterli-
chenMusiksammlungen außerhalb Salzburgs.Vgl. dazu das
Werkverzeichnis inChafe:TheChurchMusic of Heinrich
Biber.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur