Page - 46 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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2 Geschichte derMusik an derMetropolitankirche
MalerMichaelRottmayrundMartinoAltomonte, son-
dern auchdenkaiserlichenVizekapellmeisterAntonio
Caldara (1670–1736), dermitHarrach in engemKon-
takt stand, ohne dass er alsMitglied des Salzburger
Hofstaates inErscheinung getretenwäre. Ein zweites
und letztesMalerlebteSalzburgeinhöfischesTheater-
leben von internationalemRang.Caldara ‚bediente‘
den Salzburger Fürsterzbischof in den Jahren 1716
bis 1727, also innerhalb von elf Jahren,mit 22Opern
undOratorien.47Viele davon waren Auftrags- und
Widmungswerke zu verschiedenstenAnlässen, einige
auchWiederholungen vonWiener Produktionen. Zur
Kirchenmusik amSalzburgerDom trugCaldaramit
14Messen, neunOffertorien, dreiDixit- und zweiMa-
gnificat-Vertonungen und einerMotettensammlung
ebenfalls bei.48
Zwei Jahre nachHeinrich IgnazFranzBibersTod
imMai 1704 hatteVizekapellmeisterMatthias Sieg-
mundBiechteler (1668–1743) dasHofkapellmeister-
amt übernommen.Biechteler49war 1687 nach Salz-
burg gekommen, umanderBenediktineruniversität
zu studieren, undwar 1688 in die SalzburgerHofka-
pelle eingetreten. 1703 zumVizekapellmeister und
bereits 1706 zumKapellmeister befördert, versah er
dieses Amt bis zu seinemAbleben imAugust 1743.
Anders als bei seinem Vorgänger ist das geistlich-
liturgischeWerkBiechtelers inbeachtlicherFülleüber-
liefert. In seineWirkungszeit fiel jene maßgebliche
Stil- undBesetzungsänderung, die eine substanziel-
le Repertoireerneuerung am Salzburger Dom nach
sich zog (→ S. 132) und an der er sich mit zahl-
47Kirkendale,Ursula:AntonioCaldara. SeinLeben und sei-
ne venezianisch-römischenOratorien, Graz u.Köln:Herr-
mannBöhlausNachf.1966, (Wienermusikwissenschaftliche
Beiträge, 6);Hintermaier,Ernst: „LebenundWerkAnto-
nioCaldaras (um1670–1736)“, in:KarlHarb/AlbertF.
Hartinger (Hrsg.):Antonio Caldara und Salzburg. Beiträ-
ge zurMusik- undKulturgeschichte des Spätbarock, Salz-
burg:Gattermaier1981, (Jahresschrift derSalzburgerBach-
gesellschaft), S. 5–8;Rainer,Werner: „Caldara und Salz-
burg“, in:LarsE. Laubhold/GerhardWalterskirchen
(Hrsg.):Klang-Quellen. Festschrift für Ernst Hintermaier
zum65.Geburtstag.Symposiumsbericht,München: Strube-
Verlag 2009, (Veröffentlichungen zur SalzburgerMusikge-
schichte, 9), S. 52–79.
48Dass er dieseWerke extra für Salzburg komponiert hätte, ist
unwahrscheinlich, dennAbschriften einesGroßteils dieser
Werke finden sich auch imArchiv der Hofkapelle in der
WienerNationalbibliothek.
49DasFolgende nachHochradner, Thomas:Matthias Sieg-
mund Biechteler (∼1668–1743). Leben und Werk eines
Salzburger Hofkapellmeisters. Studien zur SalzburgerMu-
sikgeschichte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
3Teile, Dissertation,Universität Salzburg 1991, S. 89–90. reichen Komposititionen beteiligte. Relativ wenige
seiner erhaltenenWerke sind vor 1725 entstanden:
drei Messen (A 25, A 26, A 1204) von 25 und ei-
ne (A 38) seiner sechs Requiemvertonungen, zwei
(A 1270,A 109) von neunVesperkompositionen und
nur sieben50 seiner 38Offertorien.51DerAnteil seiner
erhaltenenKirchensonaten amGesamtbestandwird
gelegentlich überschätzt: So sind von der von Tho-
masHochradner konstatierten „Hälfte aller in dieser
Gattung überliefertenWerke“52, die Karl Heinrich
BiberundM.S.Biechteler geschriebenhättenunddie
nachdemheutigenKenntnisstandmit 42 zubeziffern
sind, lediglich neunvonBiechteler.DieGründedafür,
dass „Biechteler denGroßteil seiner sakralenMusik
gegen 1730 und später komponiert hat“, siehtHoch-
radner darin, dass „entweder [...] viele der vor dieser
Zeit entstandenenAbschriften verschollen [sind], oder
Biechteler [...] erstunterFürst-ErzbischofLeopoldAn-
tonFreiherrvonFirmian [begann], geistlicheWerke in
großer Zahl zu schreiben.“53EineListe, dieHofkopist
Ferdinand Jakob Sebastian Samber 1713 über seine
für die Hofmusikkapelle kopiertenWerke anlegte54
und in der 13 weltlicheWerke lediglich drei geistli-
chenWerkenBiechtelers gegenüberstehen, stützt eher
dieThese, dassBiechteler in seiner frühenPhase als
Hofkapellmeistermehr für denHof als für dieKirche
komponiert hat.55
Biechtelers umfangreiches dramatischesWerk, das
vor allem inMusik-Einlagen zu „Schuldramen“ am
50A-Sd,A 110,A 91,A 1247,A 1582,A 61,A 79,A 111.
51Vgl. dazuauchHochradner:Matthias SiegmundBiechteler,
S. 153f.
52Ebd., S. 266.
53Ebd., S. 153f.
54Hochradner, Thomas: „Notizen zur hofmusikalischenRe-
pertoiregestaltung. F. J. S. Sambers Liste der 1712/13 für
die Salzburger Hofmusikkapelle erstellten Kopiatur“, in:
ElisabethTh.Hilscher (Hrsg.):ÖsterreichischeMusik –
Musik inÖsterreich. Beiträge zurMusikgeschichteMittel-
europas. Theophil Antonicek zum 60.Geburtstag, Tutzing:
Schneider 1998, (Wiener Veröffentlichungen zurMusikwis-
senschaft, 34), S. 151–164.
55Gelegentlichen vernichtendenUrteilen überBiechtelers Stil
(z.B.Rosenthal,CarlAugust: „ZurStilistikderSalzbur-
gerKirchenmusik 1600–1730“, in:Studien zurMusikwissen-
schaft: Beihefte derDenkmäler derTonkunst inÖsterreich,
17 (1930), S. 77–94, 19 (1932), S. 3–32, hier: S. 31) begeg-
net bereitsHochradnermit demHinweis auf die speziellen
„Raum-und akustischenVerhältnisse der SalzburgerMetro-
politankirche“ (Hochradner:Matthias SiegmundBiech-
teler, S. 242). Bewertungen dieser Art in Bezug auf die
Salzburger Kirchenmusik der ersten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts sind, bevor neuereAufführungen imSalzburger
Dom stattgefunden haben geschweige dennEditionen oder
Aufnahmen vorliegen, kaumaussagekräftig.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur