Page - 48 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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2 Geschichte derMusik an derMetropolitankirche
demLeopoldstagam15.November inZusammenhang
stehen.64 Sieben derMessen sind explizit alsMissae
brevis bezeichnet, für die auf denTitelnAufführungs-
dauern zwischen acht und 17Minuten vermerkt sind;
mindestens zweiweiteredürftenmitdenangegebenen
15bzw. 16Minuten ebenfalls indieseKategorie fallen.
Neben dreiVertonungen desPsalmsMisereremei,
die inderSammlungalsWerkeBibersüberliefert sind,
lässt sich eine vierte65mit gutenGründen ebenfalls
Biber zuweisen. Von einer weiteren Vertonung hat
sich nur der Umschlagtitel erhalten, der eine unge-
wöhnliche doppelchörigeAnlage verrät, bei der einem
vonViolinen undOrgel begleitetenVokalchor ein in-
strumentaler „Tiefchor“ausVioloncelli,Fagottenund
Violonengegenüberstand.66DerVerlustdiesesWerkes
lässt befürchten, dass eventuelleÜberlieferungslücken
gerade imBereich unkonventionellerKompositionen
auftreten.
Ähnlich unkonventionell ist einRegina coeli67, das
solistische und chorischeVokalstimmen ausschließlich
inBasslage vorsieht.DemstehenandereVertonungen
desTextes gegenüber, bei denen ein Sopran68- oder
Tenorsolo69mit virtuosenTrompeten- undVioloncel-
losoli sowie fallweisemit unisono geführtenViolinen
begleitetwerden. EinweiteresRegina coeli70 kombi-
niert die gewöhnlichen Solo- undChorvokalstimmen
mit spätenFormenvollständigervierstimmiger Instru-
mentalchöre (→ S. 152 u. 169). NeunVertonungen
derAntiphon stammen zweifelsfrei ausBibers Feder,
bei zweiweiteren ist dieAutorschaft unsicher.71
KarlHeinrichBibers opulentestesWerk ist ein in61
autographenEinzelstimmen überliefertesTeDeum72,
64BeideTage liegenweder in derVorfasten- noch in der Fas-
tenzeit, deshalb ist ihreKonzeption „inContrapunto“ eini-
germaßen rätselhaft.
65A-Sd,A 1449.
66A-Sd,A 1605: „ExGbmol. /Miserere inContrapunto. / â
2Chori. / InChoro 1mo. / 4Voci,mà ben- /Radopiati. /
con /Organo e 2 violini. / InChoro 2do / 4Violoncelli. /
3.Fagotti. / 3. violoni / con/Organo. / da /CarloHen: di
Bibern /ViceMaestro diCapella /A[nn]o 1729 /Partes
25.“
67A-Sd,A 139.
68A-Sd,A 1576.
69A-Sd,A 142.
70A-Sd,A 165.
71A-Sd,A137 ist (ohne rekonstruierbareGrundlage)auf einem
Umschlagtitel des 19. Jahrhunderts Biber zugeschrieben.
A1285, eineum1730anzusetzendeAbschrift JohannJakob
Rotts, zeigtmit derBesetzung unisono geführterViolinen
und einer Violoncellostimme, die zugleich als Direktions-
stimmedient,Merkmale, die aufBiber alsAutor deuten.
72A-Sd,A 133. das vermutlichwie die schon genannteMissa aDupp-
lici Choro ebenfalls für dieAufführung auf denVie-
rungsemporendesDoms73bestimmtwarunddarüber
hinaus zwei (vermutlich imPresbyteriumplatzierte)
Ripien-Chöre verlangt (→ S. 158).Dagegen existiert
auch einTeDeum „à 4Voci daCapella“74, bei dem
einem Chor ein kleines Begleitensemble bestehend
ausViolinen,Basso continuoundPosaunentrio andie
Seite gestellt ist.
Unkonventionell ist die Sakramentslitanei ind-Moll
„à 5. Voci / 2. Viole d’Amor: / e una Principale. /
Organo con Violoncello / obligato / 2 Violoni“75 –
das einzige in der Sammlung erhalteneWerk, in dem
dieViola d’amoreVerwendungfindet (→S. 154).Der
Großteil vonBibers Litaneien ist opulent besetzt, die
Hälfte derWerke ist fünfstimmig (mit zwei Sopranen)
angelegt, eines doppelchörig.
Herausragend istBibersBeitrag zurGattung der
Kirchensonate, die als „Epistelsonate“ bis um 1780
am Salzburger Dom gepflegt wurde.76Mit über 30
Werken (inklusive vierConcerti per la chiesa) verfass-
te er etwa1/3des heute erhaltenenGesamtbestandes.
Ihre vielfältigenErscheinungsweisen reichen von der
einfachen Sonata â 3, die bei Biber den häufigsten
Typus darstellt77, über vier-78 und fünfstimmige79
73Als alternativer Aufführungsort ist die Universitätskirche
nicht auszuschließen, zu deren Einweihung nachweislich
sowohl einTeDeumBibers als auch eine vierchörigeMesse
Biechtelers erklangen (→S. 134).
74A-Sd,A 1577.
75A-Sd,A 1573.
76Vgl.Hochradner, Thomas: „ZurAusprägung derKirchen-
sonate inSalzburg“, in:GerhardWalterskirchen (Hrsg.):
Heinrich Ignaz Franz Biber. Kirchen- und Instrumental-
musik. Kongreßbericht, Salzburg: Selke 1997, (Veröffent-
lichungen zur Salzburger Musikgeschichte, 6), S. 84–112,
sowieDeFeo,Adriana/ThomasHochradner: „Giuseppe
Francesco Lolli. Prügelknabe undWegbereiter?“ in:Eva
Neumayr/LarsE. Laubhold (Hrsg.):KeineChance für
Mozart. Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo und sein
letzter Hofkapellmeister Luigi Gatti (1740–1817). Symposi-
umsbericht, Lucca: LibreriaMusicale Italiana 2013, (Ver-
öffentlichungen zur SalzburgerMusikgeschichte, 10; zugl.
Musicologica Transalpina, 2; zugl. Schriftenreihe des Ar-
chivs der Erzdiözese Salzburg, 12), S. 201–221, hier: bes.
S. 206–215.
77ImAllgemeinen besetztmit 2Violinen undBasso continuo
(A 792,A 801,A 802,A 803,A 804,A 805,A 806,A 807,
A 808,A 809,A 810,A 811,A 812,A 813,A 814,A 815,
A 860); einEinzelfall ist die Sonate fürClarinsolo,Violini
unisoni undBasso continuo (A 791).
78Dabei kann der Streichersatz durchHinzufügung eines So-
loinstrumentes (A 788: Violine; A 789 u. 790: Clarino)
erweitert oder zu einemvierstimmigenEnsemble aufgefüllt
sein (A 787: vl piccolo, vl, vla, bc; A 826: vl 1, vl 2, vla,
bc).
79Soloinstrument und vierstimmiger Streichersatz (A 795,
A 796) oderOboenpaarmitKirchentrio (A 785,A 786).
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur