Page - 50 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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2 Geschichte derMusik an derMetropolitankirche
(1749) führen sollte, war bei seinerAnstellung kaum
abzusehen. EberlinsDienstantritt als vierterHofor-
ganist fiel mit demBeginn jener bereits wiederholt
erwähntenRepertoireerneuerung zusammen, die ei-
nerseits imZusammenhangmitdemStilumbruch, der
sich allgemein in den 20er-Jahren des 18. Jahrhun-
derts manifestierte, andererseits mit Blick auf den
Beginn der Regentschaft des Fürsterzbischofs Leo-
poldAntonEleutherius vonFirmian zu betrachten
ist. JohannErnst Eberlins erste datiert erhaltene sa-
kraleKompositionen sind gegenEnde der 20er-Jahre
nachzuweisen.90
In der Folge ließ er, was die Zahl derWerke be-
trifft, die er für den Salzburger Dom komponierte,
alle Salzburger Komponisten des 18. Jahrhunderts,
insbesondere die gleichzeitigmit ihmamAufbau des
Repertoires wirkendenMatthias SiegmundBiechteler
undKarlHeinrichBiber, aberauchdenspäter tätigen
MichaelHaydn,weit hinter sich: ImDommusikarchiv
sind ca. 250 überliefert, darunter acht seiner zehn
Requiemkompositionen91, 48Messen, 31 Litaneien,
77Offertorien, achtVertonungen derVesper für hohe
Feiertagemit je vier Psalmen, 20 desDixit Dominus
undMagnificat, fünfRegina coeli, Responsorien für
Fronleichnamund dieKarwoche und zahlreiche an-
dereWerke. Daneben schrieb er ab 1742 umdie 60
Schuldramen fürdasBenediktinertheater,mindestens
zwölfOratorien92, Opern für dasHoftheater (Demo-
foonte [1759],Demetrio [1760] und Ipermestra [1761],
allenachMetastasio), komische Intermezzi (Dasmiss-
lungeneDoktorat,Trinkgern) und zahlreicheweitere
Werke, die leider heutemit denweltlichenMusikalien
des SalzburgerHofes zumgrößtenTeil verloren sind.
90„Audite surdi“ (1729), „Benedicta es virgo“ (1729), vgl.Neu-
mayr,Eva:DiePropriumsvertonungenJohannErnstEber-
lins (1702–1762).Studien zuQuellen,Entwicklung,Kompo-
sition undAufführungspraxis undAlphabetisches Verzeich-
nis, Frankfurt/Main u.a.: Peter Lang 2007, (Europäische
Hochschulschriften,ReiheXXXVI:Musikwissenschaft, 248),
S. 48,MesseNr.V (1728), vgl.Herbort,Heinz Joseph:
DieMessen des JohannErnst Eberlin, Dissertation,Uni-
versitätMünster 1961.
91Ein zunächst verschollenesRequiem ind-Moll konnte imMu-
sikalienarchiv des SalzburgMuseums aufgefundenwerden
(Hs. 86,→ S. 336), ein weiteres ist imMusikalienarchiv
der Erzabtei St. Peter in einer späterenAbschrift erhalten,
Neumayr, Eva: „DasVokabular derRequiemvertonungen
JohannErnst Eberlins (1702–1762)“, in:Mozart-Jahrbuch,
2013 (2014), S. 89–109.
92Haas, Robert: „Eberlins Schuldramen undOratorien“, in:
Studien zurMusikwissenschaft, 8 (1921), S. 9–44. EberlinsKirchenkompositionenumfassen stilistisch
wie auch formal die verschiedensten Bereiche: vom
stile antico93 zumkonzertierenden Stil unterMitwir-
kung der Instrumente und von einsätzigenWerken
zumehrsätzigenKantatenformen. Der größere Teil
derKompositionen für den SalzburgerDom ist dem
damalsmodernen, konzertierenden Stil zuzuordnen:
Herbort listetbeispielsweise51Messenauf, vondenen
40 gegenwärtig in derReiheAdesDommusikarchivs
vertretensind.DieVesperkompositionenEberlins sind
alle in diesem Stil vertont94, ebenso die Litaneiver-
tonungen.Unter denPropriumskompositionen sind
vor allemzahlreicheOffertorienmitnicht liturgischen,
also im 18. Jahrhundert neu gedichtetenTexten im
moderneren Stil. Für dieVorfasten- undFasten- so-
wie für dieAdventzeit existieren Zyklen95, die selbst-
verständlich in jenemKirchenstyl komponiert sind,
der für diese Jahreszeiten angebracht war, die aber
gleichwohl imSalzburgerDomnicht a capella gesun-
genwurden, sondern unterMitwirkung einerBasso-
continuo-Gruppeund colla parte gespielterViolinen96
zurAufführung kamen.
Johann Ernst Eberlin bestimmte die Musik in
Salzburg für einige Jahrzehntemaßgeblich und übte
großenEinfluss auf die nachfolgendeGeneration von
Musikernaus.Unter seinenzahlreichenKompositions-
undOrgel-Schülernwarenneben seinenSchwiegersöh-
nenAntonCajetanAdlgasser und JosephNikolaus
Meissner derTenorFranzAntonSpitzeder, der späte-
93Hier ist dieser äußerst ambivalente Begriff als Gegensatz
zumBegriff des konzertierenden Stils verwendet.Herbort
(Herbort:DieMessen des JohannErnst Eberlin, S. 174–
179) nennt ihn in contrapunto.WeitereÜberlegungen zu
diesemStil inFellerer,KarlGustav:Der Palestrinastil
und seine Bedeutung in der vokalenKirchenmusik des 18.
Jahrhunderts, Augsburg: Filser 1929, passim, undWolff,
Christoph:Der stile antico in derMusik Johann Sebasti-
an Bachs: Studien zu Bachs Spätwerk,Wiesbaden: Steiner
1968, (Beihefte zumArchiv fürMusikwissenschaft, 6), pas-
sim.
94DieAlternative dazuwäre ein „psallierender“Vortrag der
Psalmen.
95Einer davon ist imMusikalienarchiv der Erzabtei St. Pe-
ter (A-Ssp), Ebe 35.1, imAutograph überliefert. Vgl. die
AusgabeEberlin, JohannErnst;Neumayr, Eva (Hrsg.):
Motetten für die Vorfasten- und Fastenzeit: Proprien für
die Sonntage Septuagesima, Sexagesima,Quinquagesima,
den Aschermittwoch, den Passions- und den Palmsonn-
tag,München: Strube-Verlag 2013, (Denkmäler derMusik
in Salzburg, 21), einenweiterenZyklus für dieAdventzeit
kompilierteSigismundKeller inderSammlungdesDommu-
sikverein undMozarteums unter der Signatur „Kirch.Mus.
800“.
96Neumayr:Die Propriumsvertonungen JohannErnst Eber-
lins, S. 113–176.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur