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2.1 Das 17. und 18. Jahrhundert
dass eine ursprünglich dreisätzige Sinfonie vonLolli
durchTeilung der Sätze als zweiKirchensonaten ad-
aptiertwurde.117DerleiAdaptionen scheinenLollis
besonderes Engagement für die Kirchensonate, das
sich schon an der vergleichsweise hohen Zahl seiner
Kompositionen für dieseGattung ablesen lässt, auch
imBereich derOrganisation derHofkapelle zu bestä-
tigen.Die fernereBeurteilung desMusikers anhand
seines kompositorischenWerkes steht indes noch aus.
Etwa zeitgleichmit Lollis Ernennung zumHofka-
pellmeister trat imSommer 1763 der erst 26-jährige
Michael Haydn als zweiter Konzertmeister in fürst-
erzbischöfliche Dienste und vervollständigte fortan
einMusikerensemble, in demman auch in den un-
teren Rängen ummöglichst hohes Niveau bemüht
war und dieses durch vorausschauende Personalpo-
litik weitgehend aus den eigenenReihen zu sichern
verstand. Die Auswahl des Hofkapellmeisters, des
Vizekapellmeisters, derKonzertmeister undVokalso-
listen traf derErzbischofwohl selbst. Seit demTod
vonAndreasGrafDietrichstein 1753war dies Sigis-
mundChristophGraf Schrattenbach (1698–1771), ein
den Künsten sehr aufgeschlossener Landesherr. Er
genehmigte einigen seinerHofmusiker, darunter der
FamilieMozart,Bildungs-undKonzertreisenund ließ,
vielleichtweil erKastratenstimmenweniger schätzte,
zum ersten Mal Frauen in Italien zu Hofsängerin-
nen ausbilden.Während eineReise zuAusbildungs-
zwecken nach Italien für Maria Franziska Eberlin
(1735–1766) fraglich ist118, sind fürMariaElisabeth
117Die völlig gleichartigeMaterialbeschaffenheit dieser beiden
von Lolli ausgeschriebenen Stimmensätze ist offensicht-
lich. Beide Konvolute verwenden aber jeweils eine Stim-
me Violine II als Umschlagtitel (A 1404: Violino 2d:o
/ Sinfonia di Priuli, A 1405:Violino 2d.o / Prioli), so-
dass von deren separater Nutzung ausgegangen werden
muss. Gleichwohl ergäben beide Materialien zusammen
die äußerst schlüssige Satzfolge Allegro (G-Dur) – An-
dante (e-Moll) –Allegro assai (G-Dur), die zudem jener
der einzigen weiteren in RISM dokumentierten Sinfonie
(Sinfonia a Quattro / Con Violoncello Obbli:to / Del /
Sig:r Giusepe Priuli detto Romanino:Allegro (F-Dur) –
Andante (C-Dur) – Allegro (F-Dur), I-Vlevi, CF.C.165
<https://opac.rism.info/search?id=850011977>(Zugriff am
13.01.2015)) desmutmaßlichenAutors entspricht.
118Vgl. das Tagebuch des P. Beda Hübner vom 14. Novem-
ber 1766: „da sie noch ledigen Standes ware, hat sie der
Erzbischoff á la pietà genannt, in dasWelschland hinein
geschicket, um aldorten in dem singen zu perfectioniren“
(Hintermaier: Die Salzburger Hofkapelle, S. 81f.). An
dieserDarstellungHübners bestehen jedoch Zweifel, weil
Maria FranziskaEberlin, wie auchMariaElisabeth Sabina
Meissner, in denDokumenten der venezianischenOspedali
nicht nachzuweisen ist und es bei ihr auch keineHinweise
auf erfolgte Zahlungen des Erzbischofs gibt. Vgl.Gillio, Sabina Meissner (1731–1809) 1758 und 1759 Zah-
lungen bezüglich einer Reise nachzuweisen119. Drei
jungeMädchenwurden jedochauchausSalzburg,wie
es im 18. Jahrhundert an europäischen Fürstenhö-
fen nicht unüblichwar, an eines der venezianischen
Mädchenkonservatorien geschickt.MariaMagdalena
Lipp (1745–1827), die spätere Frau JohannMichael
Haydns, Maria Anna Braunhofer (1748–1819) und
MariaAnnaFesemayr (1743–1782), später die Frau
AntonCajetanAdlgassers, verbrachten zwischen1761
und 1764 zwischen zwei und vier Jahren amOspe-
dale della Pietà in Venedig und wurden danach in
Salzburg alsHofsängerinnen angestellt. Siewaren in
Opern,Oratorienaufführungen und beiKonzerten tä-
tig – am Salzburger Dom hingegen dürften sie nie
gesungen haben.Dass in anderen SalzburgerKirchen
gelegentlich Frauen sangen, ist mehrfach belegt.120
AuchWolfgangAmadéMozart komponierte einRegi-
na coeliKV108 oderKV127 ursprünglich fürMaria
MagdalenaHaydn (geb. Lipp).121 In derMetropoli-
tankirche sindFrauenstimmen inderLiturgie erst für
das Jahr 1847 belegt(→ S. 23).
AntonCajetanAdlgasser, der aus der näherenUm-
gebungvonSalzburg stammteundvomKapellknaben
zumHoforganisten aufstieg, ist ein typischesBeispiel
dafür, wie sich die Hofmusik ihren Nachwuchs aus
eigenerVorsorge sicherte: Adlgasser besuchte dasKa-
pellhaus, an dem zu seiner Zeit u.a. Johann Ernst
EberlinalsLehrer tätigwar122, unddasdemUniversi-
tätsstudiumvorausgehendeGymnasium.Als Schüler
EberlinshatteerdasGlück,nachdessenAufstiegzum
PierGiuseppe:L’ attivitàmusicale negli ospedali di Vene-
zia nel Settecento,QuadroStorico eMaterialiDocumentari
(mitCD-Rom:MaterialiDocumentari, hrsg. v.Alessandra
Bonomo), Firenze:Olschki 2006.
119Martin, Franz: „VomSalzburger Fürstenhof umdieMitte
des 18. Jahrhunderts“ [Teil 2], in:Mitteilungen derGesell-
schaft für Salzburger Landeskunde, 78 (1938), S. 89–136,
hier: S. 133.
120Neumayr, Eva: „‚...in das Welschland hinein geschicket,
umaldorten in demSingen zu perfectioniren...‘ – Salzbur-
gerHofsängerinnen inVenedig“, in:GerhardAmmerer/
IngondaHannesschläger/ThomasHochradner (Hrsg.):
VonVenedig nach Salzburg. Spurenlese eines vielschichti-
gen Transfers,Wien: Hollitzer 2015, (Veröffentlichungen
der Forschungsplattform Salzburger Musikgeschichte, 3),
S. 223–239.
121Bauer/Deutsch:Mozart.BriefeundAufzeichnungen,Bd.2,
S. 337.
122DasDatumdesEintrittsAdlgassers insKapellhaus ist un-
bekannt, er verließ es im Juli 1748 (Hintermaier: Die
Salzburger Hofkapelle, S. 4). Im gleichen Jahr endete auch
Eberlins dortigeUnterrichtstätigkeit, die er seit 1742 aus-
geübt hatte (ebd., S. 79).
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur