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2 Geschichte derMusik an derMetropolitankirche
Hofkapellmeister dessen Stelle als ersterHoforganist
übernehmen zu können und überdies dessen zweitge-
boreneTochterMaria JosephaKatharina zu heiraten.
AlsKlavierlehrer amKapellhaus trat er dieNachfol-
ge vonGeorg Joseph Paris an123 und setzte damit
auch dieTradition der amKapellhaus gelehrtenMu-
siktheorie fort, diemitGeorgMuffat höchstesNiveau
erreichte undüberEberlin bis hin zu JohannMichael
Haydn eine ausgezeichnetemusikalischeGrundausbil-
dung garantierte.
Adlgassers persönlichesWirken blieb auf Salzburg
beschränkt, abgesehen von einer einjährigen Italien-
reise (1764/65), die ihn – akkurat zu jener Zeit, in
der sich auch die FamilieMozart auf ihrer großenEu-
ropareise befand – u.a. nachPadua,Trient,Mantua,
Verona,Mailand, Lodi, Parma, Bologna, Rom und
wieder zurück nachVenedig führte.124 Sein kompo-
sitorisches Schaffen, das inÖsterreich und vor allem
in süddeutschenKlösternVerbreitung fand, umfasst
geistliche und dramatischeMusik ebensowie Instru-
mentalmusik.125 Sein für denSalzburgerDomkompo-
niertes kirchenmusikalischesWerk ist imVergleich zu
dem seines Schwiegervaters JohannnErnst Eberlin
klein:Nichtmehr als zehnLitaneien, dreiMessenund
dreiRequiemkompositionenundeinigekleinereWerke
sind in derReiheAdesDommusikarchivs überliefert.
Für die Qualität dieserWerke spricht jedoch einer-
seits LeopoldMozarts Urteil, Adlgasser setze „sehr
angenehm“,wenngleich „er noch gar zumerklich an
derNachahmung anderer, sonderlich seines Lehrmeis-
ters“ hänge126, als auch, dass einigeWerke noch im
19. Jahrhundert regelmäßig aufgeführt wurden. So
berichtetPillwein imJahr 1821über regelmäßigeAuf-
führungeneinerSakramentslitaneivonAntonCajetan
Adlgasser:
„Bey dem großen Stundgebeth, welches
jährlich imDomzuSalzburgvomPalmsonn-
tag bis zumCharmittwoch abgehaltenwird,
123Adlgasser erhielt imOktober 1760 „aufAbsterbendesGeorg
JosephParis sowohldieKlavier-Instruction in [!]Kapellhaus
als denOrganistenDienst in der heiligenDreyfaltigkeits
Kirche“.Hintermaier:Die Salzburger Hofkapelle, S. 5.
124MGG2, Personenteil, Bd. 1, Sp. 158.
125Catanzaro, ChristineD. de/WernerRainer:AntonCa-
jetanAdlgasser (1729–1777).AThematicCatalogue ofHis
Works, Hillsdale, NY: Pendragon Press 2000, (Thematic
Catalogues, 22).
126[L.Mozart]: „Nachricht von demgegenwärtigen Zustande“,
S. 187. hörtman gewöhnlich einmahl des Abends
eine schöneLytanei von diesemTonkünstler
[Adlgasser].“127
Adlgasser verließ seineWirkungsstätten, die er ab
demJahre 1750 alsHoforganist amSalzburgerDom
und als Cembalist bei Hof bis zu seinemTod 1777
versehen hatte, recht plötzlich und spektakulär: Auf
derOrgelbank an derHoforgel des SalzburgerDoms
erlitt er als Vorbote seines nahenden Todes einen
Schlaganfall („Gehirnblutung“).DerVorfall –vonden
Musikerkollegen und dem herbeigerufenen „Bader“
zunächst als Begleiterscheinung eines alkoholischen
Rauschsmissdeutet –wurde vonLeopoldMozart in
einem Brief vom 22. Dezember 1777 detailliert an
Frau und Sohn berichtet.128Gleichzeitig schildert er,
wiedieMusiker imDomihrenDienstversahen; eswar
dieVesper zumThomasfest, einemFestumCanonici,
bei demdieMusik „cum semi-orchestra“129 gehalten
wurde und die Streicher sich auf demPrinzipal-Chor
(→S. 159) bei den Solosängern aufhielten.130Adlgas-
ser starb noch amgleichenTag.
Interessant ist, dass die durch den Tod Adlgas-
sers freigewordeneHoforganistenstelle vorerst nicht
besetzt wurde undMichael Haydn nur dieOrganis-
tenstelle an derDreifaltigkeitskirche in derNachfolge
Adlgassers erhielt bzw. inAnspruch nahm.Weshalb
bemühte sichHaydn nicht schon damals umdieHof-
organistenstelle, sondern erst imMai 1782? Hatte
VizekapellmeisterMozart, der die Stelle für seinen
sich aufReisen befindenden Sohn sichernwollte, die
Hand imSpiel?
Obwohl LeopoldMozart nie das Amt des Hofka-
pellmeisters bekleidete, ist die Rolle, die er für die
Organisation derHofkapelle spielte, nicht zu unter-
schätzen (→ ab S. 107). Seinen Ruf als Pädagoge
127Pillwein,Benedikt:BiographischeSchilderungenoderLexi-
konSalzburgischer theils verstorbener theils lebenderKünst-
ler, auch solcher, welcheKunstwerke für Salzburg lieferten
etc.: nach den zuverlässigstenQuellen, besondersManus-
cripten, bearbeitet [...], Salzburg:Mayr 1821, S. 2f.
128Bauer/Deutsch:Mozart.BriefeundAufzeichnungen,Bd.2,
S. 200–203.
129Gatti, Luigi:Ordo Festivitatum et Functionum in hacMe-
tropolitana Ecclesia Salisburg[e]nsi, Salzburger Landesar-
chiv,Reg. IX/185, fol. 76r–77v,, hier: fol. 77v, ebd., fol. 77r,
die Einordnung des „Fest: StiThomæApost:“ (21.Dezem-
ber) unter dieFesta Canonici.
130DerHoftenoristFranzAntonSpitzedermusste auf derOrgel,
„so gut er konnte, zudemwasderAdlgassermitder rechten
Handnoch spielte, denBaßmach[en]“ (Bauer/Deutsch:
Mozart. Briefe undAufzeichnungen, Bd. 2, S. 201).
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur