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2 Geschichte derMusik an derMetropolitankirche
Abbildung 2.2:FranzXaverKönig (zugeschrieben),Erzbischof HieronymusGraf Colloredo, um1772, Salzburg,
Dommuseum.
als ausgezeichneterKomponist fürKirchenmusik emp-
fohlen, so wird er nun immer wieder herangezogen,
größere liturgischeWerke zu schreiben.Heute sind im
Dommusikarchiv 17 lateinischeMessen von Johann
MichaelHaydn in vollständigenAbschriften vorhan-
den, darunter so früheWerkewie dieMissa S. Cyrilli
etMethodiiMH13 oder dieMissa S. JosephiMH16,
aber auchdieMissa S.HieronymiMH254von1777–
einWerk, dasLeopoldMozart „außerordentlichwohl“
gefiel.137 Sie entstand in jenemJahr, in demMichael
137„FerlendisundSandmayrhattendieSolo=Oboen.derOboist
beymLodron, ein gewisser Student, dann derDurnermeis-
ter undObkirchnerwaren dieRipienoboenCaßl und der
ChorherrKnozenbrywaren die Contrabäße bey derOrgl
neben den Posaunen. Estlinger warmit demFagott, Ho-
fer undPerwein neben denOboisten auf demViolinChor.
was mir sonderheit: gefiehl war, daß, da die Oboen und
Fagötte derMenschenstimme sehr nahe kommen, dieTutti
eine pure recht stark besetzte Vocalmusik zu seyn schie-
ne, indemdie Sopran undAltstimmen, durch die 6Oboen
unddieAltPosaunen versterkt, derMenge derTenor und
Baß=stimmen, das rechteGleichgewicht hielten, unddas
pieno so mayestätisch war, daß ich die Oboe Solos ganz
gernehergeschenkthätte.dieganzeHistoriedauerte5viertl
Stunde, undmirwar es zu kurz, dann eswarwirk: trefflich
geschrieben. Es geht alles natürlich fort; die Fugen, sonder-
heitl dasEt vitametc: imCredounddasDonanobis, dann
das alleluja imoffertorio sindmeisterlich durchgearbeitet,
die themata natürlich, und keine übertriebenemodulation
oder zu gähe ausweichung angebracht. dasGraduale, an- Haydn in derNachfolgeAdlgassers zumOrganisten
derDreifaltigkeitskirche ernanntwurde, was dann in
der Folgewohl auch zu seiner Ernennung zumHofor-
ganisten beitrug, nachdemWolfgangAmadéMozart
Salzburg 1781 verlassen hatte.
Bereits bei dieser Gelegenheit, am 1. November
1777,wird,wie derBrief LeopoldMozarts ebenfalls
zeigt, vomDomchor „anstatt der Sonaten [als Gra-
duale] ein förmlicher Contrapunkt“ aufgeführt. In
der Fortsetzung des Briefes am nächsten Tag stellt
sich heraus, dass diesesGraduale „nicht vonHaydn,
sondern von einem Italiener“ gewesen sei und dass
Haydn es „einsmals vomReitter seel:“138, d.h. von
statt der Sonaten ist ein förmlicherContrapunct durchaus
in pieno. – überhaupts that hier die SimmedesCastraten
gute dienste. sollte ich dieseMesse, überKurz oder lange
bekommen können, so schicke ich dir solche gewiß. noch
muß anmerken, daß derBrunetti beymFerlendis und der
Wenzl Sadlo bey denFagotisten, derHafeneder aber bey
den anderenOboisten rückwerts stunden, immer auf den
haydn sahen, und ihnen den tact auf die achsel schlug:
sonst würde es manchmal, sonderheit in Fugen und bey
lauffendenBaß=obligationen artig untereinander gegangen
seyn.Nunmöchte doch endlich eineDommCapellmeister,
oderViceCapellmstr Stelle herausspringen, daran so viele
Jahre gearbeitet wird.“Bauer/Deutsch:Mozart. Briefe
undAufzeichnungen, Bd. 2, S. 96.
138Ebd., Bd. 2, S. 97.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur