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2 Geschichte derMusik an derMetropolitankirche
der Stifts- undKlosterkirchen150]“151, einführte und
gleichzeitig die Instrumentalbegleitung auf dieOrgel
reduzieren wollte, regte sichWiderstand gegen das
imZuge derReformeingeführteGesangbuch152.Wie-
derumwar es JohannMichaelHaydn, der beauftragt
wurde, dieses Gesangbuch zu überarbeiten. Dabei
ersetzte er eineReihe vonLiedern durchNeukompo-
sitionen, andere transponierte er, um sie singbarer zu
machen. In der Folge entstanden zahlreicheweitere
Kompositionenmit deutschemText, oft besetztmit
zweiOberstimmenundBass153, in einem schlichten
Stil, der zumVorbild für einenTeil derKirchenmu-
sik des 19. Jahrhunderts werden sollte. Aber nicht
nurderFürsterzbischof gehörte zudenAuftraggebern
desKomponisten:Als dieVerbote für begleitende In-
strumente imLaufe der 1780er-Jahre aufgrund ihrer
sozialenAuswirkungen auf dieMusiker, insbesondere
auf dieThurner, immerwieder geändertwurden,wur-
deHaydn auch von ausübendenMusikern beauftragt,
Begleitstimmen zur neuenKirchenmusik zu verfassen,
wieder folgendeBriefdesSalzburgerThurnermeisters
SebastianVogt vomOktober 1787 zeigt:
„[...] danun schonbeyder erstenAbschaf-
fungsolcher InstrumentennuralleinderVio-
lon und diePosaunen erlaubtwurden,weil
diese zurSingmusikgaranständig,undnicht
eitel, galant und andachtswidrig, oder zer-
streuend sind, so habe ich aufmeineKosten
vonHerrnHeydn erwähnte Posaunen und
Violon zu demKirchen-Gesängen setzen las-
sen, und bitte deßhalben, daß selbe auch
in der neuen bevorstehenden Verordnung
därfen beybehaltenwerden.“154
Zu Johann Michael Haydns überregionaler Be-
rühmtheit dürfte amEnde des 18. Jahrhunderts vor
allem seinGradualienzyklus beigetragenhaben.Noch
im Jahr 1812 schrieb der von Salzburg gewiss weit
entfernteE.T.A.Hoffmann in derAllgemeinenMu-
150Dass dieseReformen dieMetropolitankirche selbstverständ-
lichnichtbetrafen,war soklar,dass esnicht einmal erwähnt
wurde.
151Colloredo vonWaldsee-Mels:Hirtenbrief, S. 62.
152Kohlbrenner, Franz Seraph/NorbertHauner:Der hei-
ligeGesang zumGottesdienste in der römisch-katholischen
Kirche, Salzburg:Waisenhausbuchhandlung 1781.
153Diese Kernbesetzung konnte gegebenenfalls, je nachdem,
welche Instrumente verfügbar waren, leicht mit Streich-
oderBlasinstrumenten erweitertwerden.
154AES,Altbestand,AT-AES 1.2.5/25/14. sikalischen Zeitung: „JederKenner derTonkunst und
ihrer Literaturweiß, undwußte schon längst, daßMi-
chaelHaydn, alsKirchencomponist, unter die ersten
Künstler dieses Fachs, aus jeder Zeit und jeder Na-
tion, gehört.“155 SeinewachsendeReputation in der
Kirchenmusikwar auchderGrund für zahlreicheAuf-
träge von außerhalb Salzburgs.Hatte er schon 1776
für dasKloster Lambach unddessenAbtAmandus
SchickmayrdieMissaS.AmandiMH220geschrieben,
so wurden die Aufträge ab den 80er-Jahren immer
mehr. 1786 bekam er, vermutlich auf Vermittlung
seines Bruders, den Auftrag für eineMissa a due
Cori, die sogenannteMissa hispanicaMH 422, de-
renAuftraggeber bis heute nicht bekannt geworden
ist.156 Für Admont schrieb Haydn 1792 dieMissa
S. GotthardiMH 530 und für die Profeß einer frü-
heren Schülerin in Frauenwörth dieChiemseemesse
MH536.DieKrönung seinesSchaffenswarenaberdie
Aufträge aus demKaiserhaus: 1801 entstanddieThe-
resienmesseMH796, dieHaydn selbst – nach einer
Generalprobe in der Stiftskirche St. Peter – inWien
überreichte und am9. September 1801mit derKaise-
rin als Sopransolistin in Schloss Laxenburg aufführte.
DiesemerstenAuftrag folgte1803dieBestellungeiner
„Messe samtGraduale, Offertorium undTe Deum“
für denNamenstag desKaisers am4.Oktober.Die
Missa S. FrancisciMH826wurde imAugust, dasTe
DeumMH829 imSeptember vollendet; Haydn konn-
te sich diesesMal jedoch nicht zurReise nachWien
entschließen und überließ die Direktion der Urauf-
führung JosephEybler.Dennoch folgte demBesuch
desKaiserpaares in Salzburg imNovember 1804 der
Auftrag für einRequiem,das jedochunvollendetblieb
(MH838).
Aufgrund seiner großenErfolge amKaiserhof und
der Fürsprache seines Bruders Joseph Haydn bot
FürstNikolaus II. Esterházy JohannMichaelHaydn
1802 dieKapellmeisterstelle inEisenstadt an.Trotz
des angebotenen doppeltenGehaltes lehnte dieser ab,
wohl aus Liebe zu seiner gewohntenUmgebung und
seinenFreunden,wie seineBiographen157 vermuten,
155Zit. inCroll/Vössing: JohannMichael Haydn, S. 166.
156DieseMessewurde in Salzburg erst am6. Juni 1796 in der
Universitätskirche und nochmals 1805 für das Salzburg
besuchendeKaiserpaar aufgeführt, ist aber nach heutigem
Wissensstand amDomzuHaydns Lebzeiten nie erklungen.
157[Rettensteiner/Otter/Schinn]: Biographische Skizze,
S. 32.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur