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2.1 Das 17. und 18. Jahrhundert
oderweil er sich vomRegierungsantritt des bekannt
musikbegeistertenFerdinand III. vonToskana einiges
anWertschätzung seiner Person und seiner Kunst
erhoffte. Diese Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht:
ObwohlMichaelHaydn 1804 noch zumauswärtigen
Mitglied derKöniglichen SchwedischenAkademie für
Musik in Stockholm ernannt und sein Gehalt von
Ferdinand III. erhöht wurde, zog dieser bei musi-
kalischenAktivitäten seinen italienischenHofkapell-
meister LuigiGatti vor.DerWirkungskreisMichael
Haydns blieb in diesen Jahren auf die Domorganis-
tenstelle beschränkt. HöhereÄmter solltenHaydn in
Salzburg nicht vergönnt sein.Die Position desHofka-
pellmeisterswar seit 1782 durchLuigiGatti besetzt;
zuvor war der noch junge Haydn – wie auchVater
und SohnMozart – für dieses Amt nie ernsthaft in
Erwägung gezogenworden.
Trotz aller finanziellenZwängewarFürsterzbischof
HieronymusColloredo bemüht, dieHofmusik auf ei-
nem hohen Niveau zu halten. Als Ersatz für den
bereits betagtenHofkapellmeisterGiuseppe Lolli ge-
suchtwerdenmusste, glaubte er inDomenicoFischi-
etti (um1725–nach 1783) denRichtigen gefunden zu
haben, dessenOpern nachLibretti vonCarloGoldo-
ni, besondersLo speziale,La ritornata di Londra, Il
mercato diMalmantile und Il signor dottore, in ganz
Europa großeVerbreitung gefunden hatten.
Fischietti (→S. 348) hatte, nach einerZeit alsMit-
glied verschiedener reisenderOperntruppen, 1766 in
Dresden als Hofkapellmeister eine feste Anstellung
gefunden, denn,wie denAkten zu entnehmen ist, sei
es „nicht zu läugnen, daßman vor 600Thlr. schwer-
lich einen anderen capell-Meister, welcher nur einen
mäßigenRuff erworben, bekommenwürde.“158Auf-
genommenwurde er nach derAufführung einerPro-
bemesse – vermutlich derselben, die er nachAblauf
seinesKontrakts inDresden demSalzburger Fürst-
erzbischof übermittelte159 –; und obwohl Fischietti
bis dahin vor allem als Komponist von opere buffe
158D-Dla, Loc. 910/1, fol. 135r-141v und 230r–236r, zit. nach
Poppe,Gerhard: „Dienstordnung undRepertoireaufbau
in der Dresdner Hofkirchenmusik von 1764 bis 1832“, in:
Weber-Studien, 8 (2007), S. 193–250, hier: S. 203.
159DieVermutung, dass Fischietti inDresden 1766 und Salz-
burg 1772 dieselbe Probemesse vorgelegt hatte, äußerte
Poppe zum erstenMal imArtikel „Fischietti, Domenico“
inMGG2, Personenteil, Bd. 6, Sp. 1277. Poppe führt eine
Stimmenkopie derMesse inB (D-Dl,Mus. 3269-D-5) an,
bei der es sich um die gleicheMesse handeln dürfte wie
jeneMesse inB (A-Sd,A 1131), die im SalzburgerDom- erfolgreich hervorgetretenwar, war er inDresden vor
allem für die Bereitstellung undDirektion der Kir-
chenmusik an der katholischenHofkirche imWechsel
mit Georg Schürer und JohannGottlieb Naumann
(der sich jedoch in dieser Zeitmeist aufReisen in Ita-
lien befand) verantwortlich.DanebenwarFischietti
auch imOpernbetrieb tätig.Dass 1771 derDresdner
Hof von Georg Schürer 522 autographe Partituren
kaufte, da „andenennöthigenMeßen,Vespern,Litha-
neyenundanderer zumKirchen-Dienst erforderlichen
Music destomehr fehlenwürde,weil von demCapell-
Meister Fischietti wenig neues zu erwarten [...]“160,
dürfte ein Indiz dafür sein, dass Fischietti zu diesem
Zeitpunkt bereits seinen Abgang vorbereitete, weil
ab etwa 1770 absehbar war, dass der Fürst seinen
Fünfjahresvertrag, der im April 1772 auslief, nicht
verlängernwürde.161
Am 1. Mai 1772 verließ Fischietti Dresden und
wandtesichzunächstnachWien,womansichseines Il
mercato diMalmantile unddes Il signor dottore noch
gut erinnerte. Kaumwar Fischietti dort angelangt,
begannen die eifrigen Bemühungen des Salzburger
FürsterzbischofsHieronymusGrafColloredo, der be-
strebtwar, seine „Kapelle auf einen besserenFuß zu
setzen“, Fischietti für Salzburg zu gewinnen.162Über
dieAnstellungsverhandlungen, die imAuftragCollo-
redos inWien Ludwig GottfriedMoll (1727–1804),
wirklicherHofrat undGeheimerRat des Salzburger
Fürsterzbischofs, führte, sindwir aufsGenaueste in-
formiert163: Am22. Juli 1772 ließ derFürsterzbischof
seinenVertrauensmannwissen, dass er ihm, sobald
er FischiettisProbemesse inHänden habe, seine Ent-
scheidungeröffnenwürde. „Amliebstenwäremiraber
wenn erwollte, imFallemir seineArbeit anständig
scheinete, selbst hierher kommen, um eigentlich zu
sehen, was er übernehmen konte, denn ichwäre ge-
sinnet, ihmedasKapellhaus, auch alle Sängerinnen
wennneue solltenaufgenommenwerden, instruirenzu
lassen und überhaupt die ganzeMusic zu übergeben“.
Nachdemam27. Juli 1772FischiettisProbemesse in
Salzurg demFürsterzbischof zuGehör gebrachtwor-
musikarchiv verwahrt wird (Poppe: „Dienstordnung und
Repertoireaufbau“, S. 224,Anm. 76).
160D-Dla, Loc. 910/1, fol 207r–208r, zit. nach ebd., S. 222.
161Ebd., S. 203.
162Hintermaier:Die Salzburger Hofkapelle, S. 118.
163Salzburger Landesarchiv (SLA),GeheimesArchivVI/83, zit.
nach ebd., S. 117–127.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur