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2.2 Von derHofkapelle zurDommusik:Das frühe 19. Jahrhundert
tischeKomposition, dasOratorium Il Trionfo di Ge-
deone (LG5.9), dedizierte er 1808 seinem ehemaligen
Dienstgeber in Salzburg undnunmehrigenGroßher-
zogvonWürzburg,FerdinandvonHabsburg-Toskana.
Für die Aufführung dieser Werke in Salzburg gibt
es,mit Ausnahme vonAbels Tod214, keine Indizien.
Anders verhält es sich mit Gattis groß besetztem
Requiem inC, bei demdasTitelblatt einer der au-
tographenPartiturenmit derNotiz „prodotta li 14:
Giugno 1808 nellaChiesa dell’Università di Salisbur-
go“215 einen diesbezüglich eindeutigenHinweis gibt
und dasmit großerWahrscheinlichkeit auch bei den
ExequienHieronymusColloredos 1812216 im Salzbur-
gerDomaufgeführtwurde.217
Als Luigi Gatti, 77-jährig, am 1. März 1817 in
seinerWohnung inderPfarrgasse218 starb, hatte jene
neueEpoche, die sich in seinem spätenŒuvre, wie
z.B. seinerKantate Ino, stilistisch bereits angedeutet
hatte219, bereits begonnen.
214Monika Gehmacher vermutet, dass Gatti das Oratorium
imKapellhaus anlässlich einer öffenlichen „Musikalischen
Prüfung“derDomsingknabenam30.Jänner1814aufführte.
Gehmacher:Luigi Gatti, S. 65f. u. 94.
215I-Fc, F.P.Ch. 183. Eineweitere autographePartitur hat sich
inOstiglia erhalten (I-OS,Mss.Mus.B 2148).
216Vgl.Weilmeyr,FranzXaver:Salzburg, dieHauptstadt des
Salzach=Kreises. EinHand=undAddreß=Buch für Jeder-
mann, Salzburg:Mayer’sche Buchhandlung 1813, S. 185:
„HerrGatti (AloysAbbe),Kapellmeister, ist ausmehrern
Opern=undKirchenMusiken und andernCompositionen
bekannt.Kenner ertheilen seinem, bey denExequien des
Erzb.Hieronymus gegebenenRequiemvielenBeyfall.“
217Neumayr: „DieRequiemkompositionenLuigiGattis“.
218Heute Sigmund-Hafner-Gasse 12.
219Vgl.Schneider,Constantin:Geschichte derMusik in Salz-
burg von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart, Salzburg:
Kiesel 1935, S. 142, undManfredHermann Schmids Ein-
schätzung vonGattis spätemKlarinettentrio (LG10c.7) in
Eichmann etal.: „Podiumsdiskussion“, S. 453. Vgl. auch
dieEinspielung auf derORF-CDKeineChance fürMozart.
SalzburgerKammermusik um 1800, Gatti–Haydn–Mozart,
ORF, 2012, CD3136. 2.2 Von derHofkapelle zur
Dommusik:Das frühe
19. Jahrhundert
Die ersten vier Jahrzehnte des 19. Jahrhundertswer-
den in der SalzburgerMusikgeschichte gemeinhin als
eine Zeit desmusikalischenNiedergangs bewertet.220
Während man dieser Einschätzung einen gewissen
Wahrheitsgehalt nicht absprechenkann,wardochmit
derAuflösung derHofkapelle und derAbwanderung
vielerMusiker die Epoche der höfisch geprägtenMu-
sik zuEnde gegangen, sowurde andererseits infolge
dieserWertung die ersteHälfte des 19. Jahrhunderts
nicht nur negativ eingeschätzt, sondern bisher von
derwissenschaftlichenForschung kaumbeachtet.
IndessendeutendieursprünglichvonJohannMicha-
el Haydn initiiertenAufführungen der großenVokal-
werke seinesBruders Joseph, insbesondere derSchöp-
fung221 (u.a. 1800, 1801, 1810222), aber auchderJah-
reszeiten (1802223, 1807224) und der LetztenWorte
des Erlösers amKreuz (1802, 1813225), auf beträcht-
lichemusikalischeAktivitäten226 hin, die auch nach
derAuflösung derHofkapelleweitergeführtwurden.
Von derAufführung der Jahreszeiten 1807 in derAu-
la der Universität berichtet Dominikus Hagenauer,
in seinem Tagebuch: „Es waren beylich 100 Musi-
kanten undbis 2000Zuhörer“227.Weder dieAnzahl
derMusiker noch die kolportierte Größe des Publi-
kums bestätigen eine „nach undnach verkümmerte
Musikstadt“228. Auch dasRequiemWolfgangAmadé
Mozarts, derSchöpfung JosephHaydns als eines der
Leitwerke der Epoche vergleichbar, erfreute sich ab
220Vgl.Hintermaier:Die Salzburger Hofkapelle, S. 11: „Salz-
burgsMusikleben erreichte damals seinen tiefstenPunkt,
der kaummehr unterbotenwerden konnte. Erst durch die
Gründung desDommusikverein undMozarteum im Jah-
re 1841 kamwieder frisches Leben in die nach und nach
verkümmerteMusikstadt Salzburg“.
221Vgl.Laubhold,LarsE./EvaNeumayr: „‚...wasmeinBru-
der in seinenChörenmit derEwigkeit treibt ...‘. Quellen
zur frühen Rezeption von Joseph Haydns Schöpfung in
Salzburg“, in:Haydn-Studien, 10 (2010), Nr. 1, S. 55–70.
222Libretto: A-Sca, 6426, auf dem Titelblatt der Anlass der
Aufführung: „Aufgeführt zurNamensfeyer Sr.Majestät des
Königs vonBayern,Unseres allergnädigstenLandesvaters,
Maximilian Joseph“.
223Libretto:A-Sca, 14626.
224Libretto:A-Sca, 13536.
225Libretto:A-Sca, 6427.
226DieseAufzählung darf keineswegs als vollständig gelten.
227Hahnl/Angermüller/Angermüller:Hagenauer. Tagebü-
cher, Bd. 2, S. 1175.
228Vgl. Anm. 220.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur