Page - 108 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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4 SonderfallMozart
tragt und befugt, bei personellenAbgängen aus der
Hofmusik Vorkehrungen für die Neubesetzung der
vakanten Stellen zu treffen bzw. für besondere höfi-
scheAnlässe geeigneteMusiker direkt zu engagieren,
wobei es offenbar vorkam (wenn es auch nicht dieRe-
gel war), dassMozart dieGagen aus eigenerTasche
beglich und sich seineAufwendungen imNachhinein
refundieren ließ.20
SchließlichmachteMozart seinenEinfluss inPer-
sonalangelegenheitenmehrfach dahingehend geltend,
dass erbedürftigeSalzburgerMusikerbei derenAnsu-
chen ummusikalischeNebenverdienste unterstützte.
DerartigeHilfestellungen gingen in einzelnenFällen
soweit, dass er ganzeGesuche (inklusive der ‚Unter-
schrift‘ desAntragstellers) eigenhändig schrieb.
WieAnjaMorgenstern anhand derVorgänge um
die vonColloredo verweigerteBewilligung derParis-
Reise (1777) und den damit verbundenenFortgang
WolfgangAmadéMozarts aus Salzburger Diensten
(1781) plausibel macht, war Leopold Mozarts Ein-
fluss auf dieGeschicke derHofmusik so beträchtlich,
dassFürsterzbischofHieronymusColloredo trotz aller
Spannungen, die dasVerhältnis zu seinemVizekapell-
meister prägten, nur ungern auf dessenDienste ver-
zichtenwollte unddie imHerbst 1777ausgesprochene
Entlassung beider Mozarts zumindest im Hinblick
auf denVater nicht ernsthaft inErwägung gezogen,
sondern als „Machtdemonstration“ und Druckmit-
tel genutzt hat, um im Gegenteil Leopold Mozart
in seinenDiensten zu halten.21Nicht zuletzt dessen
Zuverlässigkeit inderAbwicklungder laufendenmusi-
kalischenHofdienste dürfte für die langeVakanz von
vier Jahrenmitverantwortlich sein, die zwischen dem
AblebenGiuseppeLollis und demDienstantritt des
letztenSalzburgerHofkapellmeisters, LuigiGatti, lag;
LeopoldMozart versah dieAlltagsgeschäfte gut, also
hatte es der Fürsterzbischofmit derNachbesetzung
derHofkapellmeisterstelle nicht eilig.
In kompositorischer Hinsicht erfüllte Wolfgang
AmadéMozart alleAnforderungen: „MeinVater ist
Kapellmeister am Dom, was mir Gelegenheit gibt,
für dieKirche zu schreiben, soviel ichwill“22, hatte
Wolfgang Amadé Mozart, die Situation etwas ver-
20Morgenstern: „LeopoldMozart undHieronymusCollore-
do“, S. 240.
21Ebd., S. 227f.
22„Il mio padre è Maestro della chiesa Metropolitana, che
mi da l’occasione di scrivere per la chiesa, quanto che ne einfachend, am4. September 1776 anPadreMartini
nachBologna geschrieben.Der SalzburgerDomwur-
de demgemäß jene Kirche, für die er den Großteil
seiner kirchlichenKompositionen schrieb, und eswar
zweifellos die Salzburger Kompositions- undMusi-
zierpraxis, die ihn auf diesemGebiet entscheidend
beeinflusste.23
Von einem heute verschollenen Stabat mater
KV33cunddem frühen „Scande coeli limina“KV34
bis zumRequiemhat dieKomposition von geistlicher
MusikWolfgang AmadéMozart sein ganzes Leben
lang beschäftigt. In der Salzburger Zeitwar es immer
wieder seinVater, der ihn zurBeschäftigungmit dem
Kirchenstil anregte.Gemeintwar damit jener „stile
misto“ im Sinne von Johann Joseph Fux, der, kon-
trapunktisch gebunden, historisch ältere Schichten
wie etwa den zu Mozarts Zeiten an allen Salzbur-
ger Kirchen noch selbstverständlich gepflegten gre-
gorianischen Choral, das Schreiben von Fugen und
dieKompositionsweise in derNachfolgePalestrinas,
mitmodernenElementen verknüpfte. DasHistorisch-
Konservative dieses Stils, die mit ihm verbundene
Hinwendung zurGeschichte zeigt sich, wennMozart
ein„Cibavit eum“desum1600 inSalzburgwirkenden
Johann Stadlmayr (1575–1648) spartiert24 oder noch
1776, also lange nach demAusklingen derMehrchö-
rigkeit, nach demVorbildMatthias SiegmundBiech-
telers das letzte für denSalzburgerDomgeschriebene
doppelchörigeWerk, dasOffertorium „Venite populi“
KV26025, komponiert. ImJahr 1773, alsomehr als
ein Jahrzehnt nach demTod JohannErnst Eberlins,
fertigteLeopoldMozart fürundmitseinemSohnjenes
HeftKirchenmusiken von verschiedenenMeistern26
an, in dem sich neben drei KompositionenMichael
Haydns nicht weniger als 16Werke oderWerkaus-
voglio.“Bauer/Deutsch:Mozart. Briefe undAufzeichnun-
gen, Bd. 3, S. 532.
23ZuMozartsKirchenmusik vgl.Schmid,ManfredHermann:
„MozartsKirchenmusik“, in:PeterKeller/ArminKir-
cher (Hrsg.):ZwischenHimmel&Erde.Mozarts geistliche
Musik.Katalog mit Audio-CD zur 31. Sonderschau des
Dommuseums zu Salzburg, 8. April bis 5. November 2006,
Salzburg: Dommuseum zu Salzburg u.a. 2006, S. 9–23;
Schmid:Mozart und die Salzburger Tradition; Schmid/
Eder: „L.Mozart –W.A.Mozart –M.Haydn“; u.a.
24Hintermaier, Ernst: „ZurUrheberschaft des Introitus ‚Ci-
bavit eos‘KV44 (73u):MozartsmißglückterTranskripti-
onsversuch einer mensural notiertenMusik“, in:Mozart-
Jahrbuch, 1991 (1992), S. 509–517.
25Hochradner: „Fronleichnamsmotette“.
26London,British Library (GB-Lbl), Sign.Add. 41633.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur