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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa – zur Einleitung
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Anlass erscheinen sollte, umso größer gestaltete sich der Aufwand, um desto mehr
Aufmerksamkeit und Außenwirksamkeit zu erzielen. Das »Gesamtkunstwerk Oper«
wurde insbesondere im Vorfeld politischer und dynastischer Festlichkeiten in all seinen
Facetten meist über lange Zeiträume detailliert geplant und ausgeführt.
Herrschaft beruhte in der Frühen Neuzeit immer auch auf symbolischem Kapi-
tal.24 Die Herrschaft des Hochadels und Adels war ja nicht auf Leistung, sondern auf
Abstammung begründet. So war es zwingend notwendig, allgemein anerkannt zu
sein. Reputation und Ehre waren Herrschaftsprinzipien. Ein Landesherr durfte nicht
der Verachtung anheimfallen; seine Ehre musste kenntlich gemacht und durch äu-
ßerliche Zeichen verstärkt werden. Es genügte nicht, einen Rang inne zu haben, er
musste sichtbar präsentiert werden. Je höher er war, umso aufwendiger musste die
Selbstdarstellung ausfallen. Die gegenseitige Konkurrenz der Höfe führte dabei zu
einem Wettbewerb, in dem man versuchte, Standards zu setzen, denen andere folg-
ten. Maßgeblich waren in der Frühen Neuzeit vor allem die Dynastien der Habsbur-
ger und Bourbonen. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass sie auch in jedem Fall
als innovativ hervortraten. Sie konnten auch bestehende Modelle übernehmen und
derart abwandeln, dass sie anschließend vor allem mit ihrem Hof bzw. ihrer Dynastie
verbunden wurden. Auf dem Feld des Gesangs und der Bühnentechnik können zwei-
fellos die »Italiener« als tonangebend gelten, während die »Franzosen« vor allem
eine vorbildliche Ballettkultur entwickelten.25 Lokale Traditionen wie etwa in Spa-
nien blieben zwar lange Zeit erhalten, wurden aber kaum von anderen europäischen
Höfen rezipiert.26
Dem dynastischen Prinzip des Adels folgend, stand die Herkunft immer im Vorder-
grund höfischen Selbstverständnisses. Daher erfolgte eine Modernisierung und Erneue-
rung zumeist in der Tradition einer Dynastie. Der legitimierende bewusste Rückgriff
auf Traditionen darf weder als Anachronismus noch als provinziell missverstanden
werden. Vielmehr handelt es sich um das unabdingbare Anknüpfen an Herkommen
und Rang. So kann man gegen 1700 immer auch den Versuch der Abgrenzung auf kul-
turellem Gebiet analog zur Politik ausmachen, muss aber feststellen, dass es spätestens
in 18. Jahrhundert zu einer europaweiten Angleichung kam, die aber lokale Eigenhei-
ten als Alleinstellungsmerkmale zuließ. Wer sich als gleich anerkannte, kommunizierte
24 Vgl. Lass 2008, S. 118.
25 Auch in der Bühnenausstattung und Kostümbildnerei waren die Franzosen vorbildlich. An der Wende
zum 18. Jahrhundert rezipierten italienische Librettisten wiederum die Texte des französischen Thea-
ters. Die Textbücher der französischen Oper und des französischen Sprechtheaters erlebten ebenfalls
einen intensiven Transfer im deutschsprachigen Raum. Andererseits öffnete sich das französische Mu-
siktheater zum Ende des 17.
Jahrhunderts verstärkt italienischen Einflüssen. Bei aller Polemik gegen die
italienische Musik in der französischen Musikpublizistik ist doch davon auszugehen, dass es zu umfang-
reicheren Transfers kam, als oftmals in der Literatur aufgezeigt. Siehe zu diesen Fragen u. a. Scharrer
2014 und Scharrer 2019.
26 Vgl. die Beiträge von Solare (S. 343) und Carreras (S. 357) in diesem Band.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Title
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Subtitle
- Hof – Oper – Architektur
- Authors
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Editor
- Matthias Müller
- Publisher
- Heidelberg University Publishing
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Size
- 19.3 x 26.0 cm
- Pages
- 618
- Keywords
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Category
- Kunst und Kultur