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Susanne Rode-Breymann
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Nacht, der Schlaf, das Stillschweigen, Urania und die Baukunst auf und hielten eine
vollkommen handlungsentrückte Lobrede auf die Kaiserin. Ihr Sagen konfigurierte
keine dramatische Situation, sondern unterstützte akustisch eine in den Bann ziehende
Atmosphäre.
Gezeigte Räume
Die Fülle der in den Libretti sorgfältig vermerkten »Schau=Orte«, die ab den 1680er Jah-
ren einsetzten und in den 1690er Jahren Usus wurden, lässt sich auf wenige Grundtypen
reduzieren, was auf Routine und Habitualisierung innerhalb des theatralen Systems
am Wiener Hof verweist. Lodovico Ottavio Burnacini variierte in den Bühnenbildern
zu den Geburtstags- und Namenstagopern des Kaiserpaars sechs Grundtypen29 – je
zwei verschiedene Innenräume, zwei verschiedene Außenräume und zwei verschiedene
Natur
räume:
Innenräume sind der königliche Saal oder das königliche Zimmer
– meistens schlicht
als Zimmer, gelegentlich Zimmer der Königin oder geheimes Zimmer bezeichnet und ab
und an mit Angaben über die Ausstattung (z. B. mit Malereien oder Spiegeln verziert)
versehen. Der Größenunterschied zwischen Zimmer und Saal – etwa in der Bühnen-
tiefe – lässt sich weder auf der Grundlage der Angaben in den Libretti, noch aufgrund
von Stichen und Handzeichnungen von Burnacini näher bestimmen. Differenzkriterium
scheint vor allem die Öffentlichkeit des Saals, also die Zahl der Personen auf der Bühne,
gewesen zu sein.
Außenräume sind der Vorhof eines Palastes oder einer königlichen Burg sowie der
Platz. Sie unterscheiden sich durch die Perspektive: Der Vorhof gibt den Blick aus dem
Palast auf den Außenraum frei, der Platz vermittelt den umgekehrten Blick. Häufig
finden sich konkrete Ortsangaben wie Platz der von Alexander eingenommenen Stadt
Gordien oder herrlicher Platz zu Memphis in Ägypten.
Naturräume sind der Garten, der dem Palast nahe Naturraum, der mal als Lustwandel-
gang gestaltet ist, mal einen einsamen und abgelegenen schattigen Platz unter Bäumen
zeigt, sowie der Wald oder das Feld, die für die vom Hof entfernte Natur stehen. Diese
wird in den Libretti vergleichsweise detailliert beschrieben. Dabei reicht die Spanne vom
einsamen Wald oder einem dichten Wald mit alten Bäumen über eine Waldung mit einer
Bauernhütte und einem Blumengarten von weitem oder das unbebaute Feld und eine
Bauernkate, in der zum Feldbau gehöriges Werkzeug aufgehoben wird, oder das »Feld
mit Blumen
/
mit deß Harpocrates Klufft=Höle von ferne« (in Il silentio di Harpocrate30 zum
29 Vgl. dazu Gregor 1924, S. 71, der angibt, dass »über 50 Prozent der Schauplätze auf bekannte Typen«
zurückzuführen seien.
30 Minato 1688.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Title
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Subtitle
- Hof – Oper – Architektur
- Authors
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Editor
- Matthias Müller
- Publisher
- Heidelberg University Publishing
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Size
- 19.3 x 26.0 cm
- Pages
- 618
- Keywords
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Category
- Kunst und Kultur