Page - 35 - in Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur
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Räume der Herrschaftsrepräsentation in der Musiktheater-Kultur am Wiener Kaiserhof von Leopold I.
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zeigen, aber er legitimierte seinen Erfolg als Herrscher nicht von seinem kriegerischen
Ruhm her, sondern reklamierte seinen »politischen Führungsanspruch« in der »Rolle
des Friedensstifters.«36
Erst sieben Jahre später, in Fedeltà e generosità, der Geburtstagsoper für Eleonore
Magdalena 1692, blieb die Bühne nicht frei von der kriegerischen Handlung. Vielmehr
hört man zu Beginn Geschrei und Waffengetümmel, das in den ersten vier Szenen immer
näher rückt, bis man hört, wie die Türen des königlichen Palastes in Syrakus aufgebro-
chen werden. In der 9. Szene gibt der Schauplatz (ein Platz in Syrakus) sogar den Blick
auf die im Kampf gefallenen Leichname frei. Auch die musikalisch zum Ausdruck ge-
brachte Dramatik der Handlung bleibt nicht im Rahmen des in früheren Jahren in diesem
Gattungstyp Üblichen. Die eindringenden Feinde werden nicht nur von Statistengruppen
szenisch dargestellt, sondern auch musikalisch als Chor der andrängenden Aufrührer
hörbar gemacht. Weitere Belege dafür, dass Dramatik zunehmend zur Musikdramatik
wird und nicht mehr nur der Text über Dramatisches berichtet oder dramatische Ge-
schehnisse tanzend gezeigt werden, sind der Zuwachs an Szenen mit Ensemblestruk-
turen in dieser Oper sowie die Vergrößerung der instrumentalen Besetzung wie in den
Arien mit vierstimmiger Streicherbegleitung und B.c., darunter Harmonias das Leben
bedenkende Arie in der 17. Szene.37
Theatralität und räumliche Realität
Burnacinis Bühnenbilder sind zentralperspektivisch. Die perspektivischen Linien treffen
sich also in einem Fluchtpunkt, der über die Zentralachse mit dem Punkt des idealen
Betrachters verbunden ist. An dem saß das Herrscherpaar (siehe Abb.
5). Nur an diesem
Punkt besteht eine Distanz »zum Fluchtpunkt«, aus der »die Verkürzung der Linien
als eine in sich stimmige Darstellung« gesehen werden kann: »Aus jedem anderen Zu-
schauerpunkte neben dem des idealen Betrachters zerfällt die Illusion, die repräsentative
Realität, und kann nur dadurch wieder hergestellt werden, daß alle andern Zuschauer
sich fortwährend an den Platz des idealen Zuschauers
[nämlich des Herrschers] versetzt
denken. Sie nehmen also die Darstellung vermittelt über ihn in sich auf. […] Die Rolle
des Hofes ist es, Zeugen dieser idealen Betrachterrolle zu sein.«38 Die »Zentralperspek-
tive mit ihrer suggestiven Wahrnehmungslogik«39 war Standard auf den europäischen
Bühnen. Frankreich setzte dabei Maßstäbe, wie etwa mit dem Hoffest Les Plaisirs de
l’île echantée im Schlosspark von Versailles 1664. Aber: Alle diese Bühnenbildstiche
36 Kampmann / Krause
/ Krems 2008.
37 Minato 1692.
38 Zur Lippe 1986, S. 150.
39 Ebd., S.
144.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Title
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Subtitle
- Hof – Oper – Architektur
- Authors
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Editor
- Matthias Müller
- Publisher
- Heidelberg University Publishing
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Size
- 19.3 x 26.0 cm
- Pages
- 618
- Keywords
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Category
- Kunst und Kultur