Page - 50 - in Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur
Image of the Page - 50 -
Text of the Page - 50 -
Matthias Müller
50
in ihre abgetheilten Plätze zu logiren
/
dem Schloß ein recht Majestätisches Ansehen giebt«.14
Demnach sind für die Konzeption und Errichtung von Innen- und Außenhöfen die In-
szenierung von Erhabenheit und die Beeindruckung der Sinne genauso wesentlich wie
der funktionale Aspekt der räumlichen Unterteilung und Ordnung. Florinus demonstriert
dieses Prinzip der im Verlauf des Durchschreitens oder Durchfahrens sich steigernden
Sinneseindrücke anhand von Schloss Salzdahlum bei Wolfenbüttel, das von 1688 bis 1694
durch Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel errichtet worden war: Man
müsse bei dieser Schlossanlage »drei geschlossene Höfe passiren / um zu dem innersten
Haupt=Gebäude zu gelangen / und eröffnet sich indessen von einem Hofe zu dem andern
immer ein schönerer Prospect, der aufeinander folgenden wohl angeordneten Gebäude«.15
Die Parallelen zum Theater sind evident und lassen es sinnvoll erscheinen, die Archi-
tektur und bildliche Ausstattung eines frühneuzeitlichen, barocken Residenzschlosses
stärker als bisher geschehen auch als Rezeption der Konzepte und Effekte des höfischen
Theaters zu verstehen. Denn allem Anschein nach sind auf den Bühnen der Hoftheater
die gebauten höfischen Realitäten nicht nur im Miniaturformat wiedergegeben worden,
sondern war das Hoftheater in umgekehrter Perspektive zugleich ein wichtiger Liefe-
rant für zentrale ästhetische Strategien in der Residenzarchitektur und ihrer medialen
Ausgestaltung.16
2 Antworten auf die theatrale Unfassbarkeit von Versailles:
ein spektakulärer Idealentwurf für die Sommerresidenz
der Habsburger und ein pompöses Lustschloss für Zar Peter
den Großen an der Ostsee
Mit seiner inszenatorischen, kulissen- und bühnenhaften Architektur und Ausstat-
tung hat Schloss Versailles Geschichte geschrieben und wurde europaweit zu einem
wesentlichen Modell höfischer Residenzarchitektur, selbst wenn in den Fürstenstaaten
außerhalb Frankreichs nicht gleich – wie die jüngere historische Forschung nachwei-
sen konnte – auch der ganze inhaltliche, staatspolitische, sprich: französisch-abso-
lutistische Überbau mitrezipiert wurde.17 Die wohl spektakulärste Antwort auf Ver-
sailles war jener Idealplan (Abb. 9), den Johann Bernhard Fischer von Erlach 1688 für
14 Florinus 1719, S. 861.
15 Ebd., S. 862.
16 Siehe hierzu auch verschiedene Beiträge in vorliegendem Tagungsband. Siehe darüber hinaus Darian
2011, hier bes. S. 109–149.
17 Siehe hierzu die Beiträge in Schilling 2008, hier besonders auch den Beitrag von Lothar Schilling,
S.
13–31, der mit einer Fülle an Literaturhinweisen zugleich den Forschungsstand und die unterschied-
lichen Forschungspositionen resümiert.
back to the
book Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur"
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Title
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Subtitle
- Hof – Oper – Architektur
- Authors
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Editor
- Matthias Müller
- Publisher
- Heidelberg University Publishing
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Size
- 19.3 x 26.0 cm
- Pages
- 618
- Keywords
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Category
- Kunst und Kultur