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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur
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Roswitha Jacobsen 78 Metatheatralität Strukturell ist das Stück geprägt durch dichteste Verwendung metatheatraler Techniken, welche die Bedingungen des Theatralischen selbst thematisieren und reflektieren. Es steht in der Tradition der venezianischen Oper mit ihrem seit den 1640er Jahren erfolg- reichen Intrigenschema.34 Die Libretti des vor seiner Berufung zum Wiener Hofdichter in Venedig als Impresario tätigen Nicolò Minato sind typisch für die italienische Oper des späten 17.  Jahrhunderts, in der »Listen, Verkleidungen und Eifersucht den Antriebsmotor der Handlung bilden.«35 Der Odysseus-Penelope-Stoff eignet sich insofern gut für ein auf die Zentrierung von Intrige, Verstellung und Täuschung gerichtetes Theater, als schon die Erzählung des mythischen Stoffes durch Homer mehrere Spiel-im-Spiel-Konstella- tionen enthält. Handlungsbestimmend ist in der Odyssee insbesondere die Verkleidung und Verstellung des »erfindungsreichen« Odysseus selbst. Nach 20 Jahren nach Ithaka zurückgekehrt, verbirgt er seine Identität vor allen; lediglich seinem Sohn Telemachus, den er zur Durchsetzung seines Plans braucht, gibt er sich alsbald zu erkennen. Als unscheinbarer Bettler kann er seinen Racheplan gegen die ihrer Anzahl nach absolut übermächtigen Freier der Penelopeia betreiben. Doch er nutzt die falsche Identität auch, um die Treue seiner Gemahlin, zugleich aber auch die Loyalität der anderen Frauen im Oikos zu prüfen.36 Und selbst seinen Vater täuscht er zunächst, um sich zu vergewissern, ob er nach der langen Zeit noch auf dessen Liebe und Loyalität vertrauen darf. Auch »die kluge Penelopeia« bedient sich bei Homer mehrerer Listen: Zuerst macht sie ihre erneute Verheiratung von der Fertigstellung des von ihr für Odysseusʼ Vater gewebten Leichentuchs abhängig, welches sie heimlich immer wieder auftrennt, um den Termin zu verzögern. Später provoziert sie den Fremden, der sich ihr nach langem Versteckspiel endlich als ihr eigener Gemahl zu erkennen gibt, zu einer Aussage über das Ehebett, um sicher zu gehen, dass tatsächlich Odysseus vor ihr steht.37 Das Penelope-Singspiel nutzt die im antiken Prätext vorgegebenen Spiel-im-Spiel- Sequenzen, und damit  – in der dramatisierten Form  – einen Grundtyp des Metadramas.38 Bei diesem Typ des Metadramas geht es darum, dass in eine Spielhandlung ein weiteres Spiel auf einer zweiten fiktionalen Ebene eingelegt ist, wodurch es zur Verdopplung bzw. auch zur Vervielfachung sowohl der Spiel- als auch der Beobachtungsebenen kommt. 34 Vgl. Abert 1953, S.  216–217. 35 Stenmans 2013, S.  346. 36 Vgl. Homer 2015, 16. Gesang, V. 304: Odysseus zu Telemachos: »… nur du und ich erkunden der Frauen Gesinnung.« Im 19. Gesang, V. 44  –45 sagt Odysseus zu seinem Sohn: »[…] ich selber werde hier blei- ben,  /  Um die Mägde zu prüfen und deine Mutter zu reizen  […].« 37 Sie gibt der Dienerin Anweisungen zum Herrichten des angeblich vor die Kammer gestellten Ehelagers, womit sie seine Gegenrede provoziert, in welcher er sein exklusives Wissen über das nicht verrückbare Ehebett kundtut als  – für Penelopeia  – zweifelsfreies Zeichen seiner wahren Identität. Vgl. 23. Gesang, Verse 177–230. 38 Vgl. Roberts 2007, S.  37.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa Hof – Oper – Architektur
Title
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Subtitle
Hof – Oper – Architektur
Authors
Margret Scharrer
Heiko Laß
Editor
Matthias Müller
Publisher
Heidelberg University Publishing
Date
2020
Language
German
License
CC BY-SA 4.0
ISBN
978-3-947732-36-4
Size
19.3 x 26.0 cm
Pages
618
Keywords
Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
Category
Kunst und Kultur
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa