Page - 92 - in Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur
Image of the Page - 92 -
Text of the Page - 92 -
Heiko Laß
92
im Raum nördlich der Alpen, der hier im Mittelpunkt steht. Bauten für das höfische
Musiktheater waren also nur bedingt Theater- und Opernhäuser. Dennoch werden im
Folgenden diese Spezialarchitekturen betrachtet. Die Geschichte der Opernhäuser so-
wie ihre bauliche Entwicklung sind untrennbar mit Italien verknüpft: Das Theater und
damit auch das Opernhaus sind in Italien entwickelt worden. Die zentrale Hofloge
gegenüber der Bühne, Ränge und Logen, sie alle wurden erstmals in nachmittelalter-
licher Zeit in Italien etabliert.4 Jenseits der Höfe entwickelte sich in Venedig unter
kommerziellen Gesichtspunkten bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts das Logentheater,
das nicht höfisch war, aber für viele höfische Theater zum Vorbild wurde. Auch in
Deutschland entstanden erste Theaterbauten bereits vor dem Dreißigjährigen Krieg.
Dieser stellt jedoch ein tiefer Einschnitt dar und die Entwicklung kam erst nach 1650
wieder in Schwung.
Trotz der hohen Stellung, die Theater- und Opernaufführungen für die Höfe ge-
rade in Deutschland hatten, gab es kaum Architekturtraktatisten, die sich dieser Bau-
aufgabe gewidmet haben. Eine frühneuzeitliche Theorie des Theaterbaus ist nördlich
der Alpen unbekannt und auch sonst eher unbedeutend geblieben.5 Das heißt, dass
man nicht die Theorie mit der Praxis abgleichen kann, sondern von den Bauten und
ihrer Nutzung selbst auf eine mögliche – nicht ausformulierte – Theorie schließen
muss. Doch können drei Traktatisten für den deutschsprachigen Raum genannt wer-
den: Joseph Furttenbach, Leonhard Christoph Sturm und Johann Friedrich Penther
sind unter höfischen Gesichtspunkten zu berücksichtigen.6 Sie haben sich auch mit
dem Theater als höfischer Bauaufgabe beschäftigt. Furttenbach verortet das Theater
1640 ganz klar im Schloss. Es ist Bestandteil der Architektur Großer Herren und
ein Saal für höfische Feierlichkeiten, der auch für theatralische Aufführungen ge-
nutzt wird. Die multifunktionale Nutzung ist für Furttenbach selbstverständlich.
Sturm sieht das Theater um 1700 ebenfalls als festen Bestandteil eines landesherr-
lichen Schlosses an, gibt ihm aber als Nebengebäude eine gewisse Autonomie. Da
das Theater freisteht, benötigt es im Gebäude selbst einige Nebenräume. Und daher
wird dem Zuschauerraum ein so genannter Redoutensaal vorangestellt, in dem sich
die Hofgesellschaft versammeln kann. Es gibt Erfrischungs- und Serviceräume. Da
das Gebäude für den Theater- und Opernbetrieb entworfen ist, erhält auch das Or-
chester einen festen Platz, und zwar vor der Bühne. Der Zuschauerraum selbst hat
ein Parterre sowie Ränge mit Logen, die Hofloge ist in der Mittelachse gegenüber der
Bühne (Abb.
1). Bei Penther ist das Opernhaus 1748, wie er das Theater aufgrund sei-
ner überwiegenden Nutzung im höfischen Bereich nennt, ein eigenständiger Bau, der
sich allerdings im Schlossareal befindet. Penther unterscheidet anfänglich zwischen
4 Vgl. die Beiträge von Sanvito (S.
199) und Lange (S. 117) in diesem Band.
5 Lange 1997, S.
205.
6 Vgl.: Zielske 1971, S. 22; Schrader 1988, S. 11–27; Lange 1997, S. 209–211.
back to the
book Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur"
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Title
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Subtitle
- Hof – Oper – Architektur
- Authors
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Editor
- Matthias Müller
- Publisher
- Heidelberg University Publishing
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Size
- 19.3 x 26.0 cm
- Pages
- 618
- Keywords
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Category
- Kunst und Kultur