Page - 95 - in Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur
Image of the Page - 95 -
Text of the Page - 95 -
Bauten für das höfische Musiktheater im 17. und 18. Jahrhundert
95
vom Römischen Kaiserhof in Wien, wo die Oper mit einem eigenen Funktionsbau eine
Selbstverständlichkeit war.11
Provisorien sind aber kein französisches Phänomen gewesen. Am Münchner Hof
fand eine Opernaufführung 1653 in einem bereits vorhandenen Saal im Residenzschloss
statt.12 Und der kurhannöversche Hof nutzte Ende des 17. Jahrhunderts trotzt vorhan-
dener Spielstätten im Residenzschloss und einem Gartentheater in Herrenhausen zu-
sätzlich das so genannte Galeriegebäude Herrenhausen – einen großen Festsaalbau –
für Aufführungen.13 Etwas anderes, wenn auch ebenfalls ein Provisorium, war ein
transportables Opernhaus. So eines brachte Kaiser Ferdinand III. 1653 zum Reichstag
nach Regensburg mit.14
Doch waren temporäre Umnutzungen oder gar mobile Bauten kein Zukunftsmodell.
Der vermehrte Bedarf an Aufführungen sowie die Kosten für den Auf- und Abbau ephe-
merer Anlagen führten bereits im 17.
Jahrhunderts zur dauerhaften Einrichtung von festen
Spielstätten. Zudem emanzipierte sich die Oper im Laufe der Zeit von festlichen Anlässen
und es kam immer öfter zu Einzelveranstaltung unabhängig von bestimmten Casus.15
Häufig entstanden jedoch keine kompletten Neubauten, sondern verfügbare Räume
wurden umgestaltet wie Ballhäuser, Reithäuser, Orangerien oder auch Zeughäuser,16
wie im Folgenden ausgeführt wird. Damit ist das Theater- oder Opernhaus in der Frü-
hen Neuzeit nahezu der einzige permanente Bau, der für Feste aufgeführt wurde. Im
Allgemeinen waren Festarchitekturen ephemer.
Bereits vor dem Dreißigjährigen Krieg gab es Bauten, die ausschließlich zum Zweck
theatralischer Aufführungen errichtet worden waren, und nach 1650 mehrte sich die
Zahl zunehmend.17 1654–57 ließ der Bayerische Kurfürst in München einen Kornspei-
cher zum Opernhaus umbauen.18 Die Gothaer Herzöge nutzten in ihrem Residenz-
schloss 1681–83 ein Ballhaus zum Theater um.19 1684 richtete der Coburger Herzog in
seinem Zeughaus eine Spielstätte mit Platz für rund 100 Zuschauer ein.20 In Altenburg
baute man 1728/30 das Ballhaus im Schlossgarten zum Opernhaus um, nachdem man
es bereits im 17. Jahrhundert für Aufführungen genutzt hatte.21
11 Vgl. Frenzel 1979, S. 102, 104; Forsyth 1992, S. 104.
12 Brunner 1990, S. 7.
13 Dann stand die Bühne an der Ostseite des Saals. Vgl. Wallbrecht 1974, S, 67.
14 Frenzel 1979, S. 146.
15 Ebd., S.
238; Schrader 1988, S. 28.
16 Frenzel 1979, S. 54.
17 Für diesen Zweck erbaut wurden das Ottoneum in Kassel (1603–06), das Opernhaus in Dresden
(1664–67), das Theater in Wolfenbüttel (1688), etc. Vgl. Frenzel 1979, S. 145; Schrader 1988, S. 39–40.
18 Brunner 1990, S. 7.
19 Frenzel 1965, S. 110–123.
20 Frenzel 1965, S. 151–155.
21 Facius 1936, S. 11, 19; Frenzel 1965, S. 124; Schachtschneider 1993.
back to the
book Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur"
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Title
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Subtitle
- Hof – Oper – Architektur
- Authors
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Editor
- Matthias Müller
- Publisher
- Heidelberg University Publishing
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Size
- 19.3 x 26.0 cm
- Pages
- 618
- Keywords
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Category
- Kunst und Kultur