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Heiko Laß
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zulässig.50 Hier muss immer unterschieden werden, ob es sich um öffentliche oder
nicht öffentliche Aufführungen handelte und ob die Bauten für eine breite Öffent-
lichkeit, die höfische Öffentlichkeit oder nur für einen privilegierten Kreis bestimmt
waren.51 Im höfischen Musiktheater regelte das Hofzeremoniell die Anordnung der
Sitzplätze und ihre Beschaffenheit. Wie auch sonst legte es fest, wer auf Sesseln saß,
wer Lehnen oder keine Lehnen erhielt, wer auf Platz oder auf Bank zu sitzen hatte.
Auch Material und Farbe orientierten sich an den höfischen Normen.52
Im höfischen Musiktheater ging es nicht nur darum, ein Stück besonders adäquat
zur Aufführung bringen zu können, sondern auch darum, die gottgewollte Stellung des
Herrschers optimal sichtbar zu machen.53 Sein Sitz im Opernhaus war durchaus unter-
schiedlich. Gerade im 17. Jahrhundert, aber auch darüber hinaus, hatte der Herrscher
oft im Parkett vor der Bühne seinen Platz.
So saß Prinz Ludwig XIV. von Frankreich 1641 im Palais Richelieu (dem späteren
Palais Royal) selbstverständlich vor der Bühne.54 Ebenso hielten es die Kurfürsten in
München 1654 und Dresden 1667 sowie der Kaiser in Wien 1668. Er saß mit seiner Fa-
milie auf einem um drei Stufen erhöhten Podest vor seinem Hofstaat (Abb. S.
249).55 So
hatte er die ideale Sicht und das ideale Klangerlebnis und konnte selbst in der Mitte des
Theaters gut gesehen werden. Auch Friedrich
II. von Preußen nahm rund 100 Jahre spä-
ter seien Platz im Parkett vor der Bühne ein, so im Theater im Potsdamer Stadtschloss,
im Theater im Neuen Palais, wo er in der dritten Reihe des Parkett saß oder auch im
Opernhaus Unter den Linden.56
Zahlreiche erhaltene Theater und Opernhäuser aus dem höfischen Bereich haben
eine aufwendige Loge im ersten Rang im Scheitelpunkt gegenüber der Bühne.57 Zur
ihrer Entstehung und Funktion äußert sich Hans Lange in diesem Band. Daher fasse
ich mich hier kurz. Die erste zentrale Mittelloge in einem höfischen Theater wurde im
Teatro Farnese 1617/18 für den Herzog von Parma etabliert, der nicht auf einem abge-
schrankten Podium im Parterre saß, sondern auf einem überdachten Balkon über dem
Eingang – einer Loge – im Zentrum Platz nahm. Er hatte so als einziger den besten
Blick auf das Bühnengeschehen und die Hofgesellschaft unter seiner Beobachtung.58
Das Konzept überzeugte. Im 18. Jahrhundert gab es in höfischen Opernhäusern fast
50 Forsyth 1992, S. 71.
51 Vgl. Sommer-Mathis 1995, S. 515.
52 Vgl. Ebd., S. 515–519 – vor allem zur kaiserlichen Opernaufführung in Regensburg 1653.
53 Krückmann 1999, S. 6–13.
54 Frenzel 1979, S. 102.
55 Ebd., S. 146; Greisenegger 2016, S. 63.
56 Vgl. zu den Theatern: Frenzel 1959, S.
56 (Stadtschloss), 58–66 (Neues Palais), S.
13 (Unter den Linden).
57 Schrader 1988, S. 186–189.
58 Lange 2003, S.
54. Vgl. auch den Beitrag von Sanvito in diesem Band.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Title
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Subtitle
- Hof – Oper – Architektur
- Authors
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Editor
- Matthias Müller
- Publisher
- Heidelberg University Publishing
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Size
- 19.3 x 26.0 cm
- Pages
- 618
- Keywords
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Category
- Kunst und Kultur