Page - 105 - in Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur
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Bauten für das höfische Musiktheater im 17. und 18. Jahrhundert
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den ersten Rang zu setzten, und zwar gleich rechts und links in eigenen Logen am
Bühnenrand.71
Was abgesehen vom tatsächlichen Aufenthaltsort des Herrschers galt, war, dass es
im höfischen Musiktheater eine soziale Verteilung der Sitzplätze gab, unabhängig von
akustischen Vorzügen. Die Wertigkeit des besten Platzes konnte dabei verschieden sein
und im Laufe der Zeit auch wechseln.72 War der Hof unter sich konnten die Besucher
anders im Theater verteilt werden, als bei einer öffentlichen Veranstaltung. Eine Unter-
teilung der Ränge in Logen war wie in Dresden Ende des 17. Jahrhunderts dann nicht
unbedingt erforderlich73 oder die Logen waren niedrig, wie im Hofopernhaus in Mann-
heim Mitte des 18. Jahrhunderts.74
Auch wenn die zentralen Logen nicht immer vom Herrscher genutzt wurden, um
einer Aufführung beizuwohnen, waren sie doch ein wichtiges Instrument, ihn bzw.
seine Zeichen im Zuschauerraum sichtbar und ihn auch in Abwesenheit präsent zu
machen. Peter O. Krückmann hat richtig konstatiert, dass das Hoftheater in erster
Linie kein Spielort, sondern ein Triumphraum zur Verherrlichung der Herrschaft ge-
wesen sei. Das bezieht er nicht nur auf die Architektur, sondern meint auch das dra-
matische Geschehen auf der Bühne, das in historischer Zeit mit Anspielungen und
Analogien auf die Gegenwart im Zuschauerraum bzw. den Landesherrn aufgeladen
war. Bühne und Fürstenloge können so gesehen gleichrangig sein. Zwischen der ak-
tiven Verherrlichung und dem aktiv Verherrlichtem sitzen die zuschauenden – passi-
ven – Untertanen.75
Die herrschaftlichen Logen beeindruckten im Allgemeinen durch ihre schiere Größe,
die sie über die anderen Logen hinaushob. Sie waren breiter und höher
– oft umfassten
sie mehrere Ränge – sowie reicher geschmückt. Im Münchner Salvatortheater war die
Mittelloge (1685/86) mit dem Würdezeichen des Baldachins bekrönt; ein Kurhut schloss
die von vierzehn Atlanten und Karyatiden getragene Hofloge ab (Abb. 7).76 Nach 1700
verfügte der Kaiser in seinem Wiener Opernhaus über eine große mehrgeschossige
dreiachsige Mittelloge, die gegenüber den seitlichen Rängen versetzt und überreich
geschmückt war. Eine Inschrift nannte Kaiser Leopold
I. und seinen Architekten Fran-
cesco Galli Bibiena (»Theatrum Hoc Quo Leopoldus
I. Imperat. curis animum aliquando
relaxeret Prefecto et Auspice Ferdinando Comite de Molarth Franc.us Bibiena Bononien-
sis fecit. 1704«) [vgl. Abb. S. 137].77 Im Dresdner Opernhaus am Zwinger entschied
71 Ebd., S.
54–60, 184.
72 Frenzel 1979, S. 71.
73 Reeckmann 2000, S. 178.
74 Forsyth 1992, S. 86, 101.
75 Krückmann (Führer) 2003, S. 98.
76 Lange 2003, S. 55.
77 Hadamowsky 1962, S. 9.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Title
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Subtitle
- Hof – Oper – Architektur
- Authors
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Editor
- Matthias Müller
- Publisher
- Heidelberg University Publishing
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Size
- 19.3 x 26.0 cm
- Pages
- 618
- Keywords
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Category
- Kunst und Kultur