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Heiko Laß
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Funktion des Gebäudes zu beziehen, sondern auf das Markgrafenpaar. Um das zu ver-
deutlichen, wird gezeigt, wie er einen Genius damit beauftragt, zur markgräflichen
Loge zu fliegen – wo ja die Weisheit (Sophie) ihren Sitz hat.93
Die nichttheatrale Nutzung der Opernhäuser durch Hof
und Landesherrschaft
Bei einer derart repräsentativen Ausstattung wundert es nicht, dass die Bauten nicht
nur zur Aufführung von Opern und Schauspielen dienten. Opernhäuser wurden im
Rahmen von Festen oft genutzt, ohne dass es sich dabei um musiktheatralische Auf-
führungen hätte handeln müssen.94 Besonders beliebt waren Karnevalsveranstaltungen
bzw. Maskenbälle.95 Es konnte dann sogar passieren, dass Zuschauer einer Aufführung
aufgefordert wurden, bereits zur Oper in Masken zu erscheinen für den an die Auffüh-
rungen anschließenden Maskenball, so in Berlin 1743. Sänger und Tänzer blieben dort
in ihren Kostümen und mischten sich später unter das Publikum.96 In Bayreuth wurde
das Opernhaus gern als Speisesaal genutzt. Tafeln konnten dabei sowohl im Parterre
als auch auf der Bühne aufgestellt werden, wobei die Plätze im Bühnenraum die höher-
rangigen waren.97
Auf derartige Nutzungen waren höfische Theater und Opernhäuser baulich bestens
vorbereitet. Spätestens im 18. Jahrhundert gab es bei fast allen Bauten einen Vorraum,
in dem sich die Gesellschaft versammeln konnte, sodass auf Grundrissen eine Drei-
gliederung zu sehen ist, bestehend aus Bühnenraum, Zuschauerraum in der Mitte und
Vorraum. Zu diesen gehörte Knobelsdorffs Theater Unter den Linden in Berlin.98 Bereits
das Opernhaus in Braunschweig, das einem zahlenden Publikum zugänglich war, be-
saß 1690 einen derartigen Redoutensaal.99 Auch das Theater Unter den Linden verfügte
über ein Foyer, das bei Festen als Bankett- und Speisesaal diente,100 ebenso das Theater
in der Münchner Residenz (Residenztheater), wo über dem zentralen Foyer als Zugang
im Obergeschoss vor der Fürstenloge ein Empfangssalon zur Verfügung stand.101 Das
sind nur einige Beispiele.
93 Krückmann 1999, S. 6–13; Roettgen 1999.
94 Schrader 1988, S. 28.
95 Etwa in Erlangen (Schrader 1988, S. 137–141), in Bonn (Schrader 1988, S. 142–143).
96 Frenzel 1959, S. 13.
97 Krückmann (Führer) 2003, S. 31, 42.
98 Kadatz 1985, S. 125–134; Schrader 1988, S. 181–184; Weickardt 1999, S. 29, 273–276.
99 Schrader 1988, S. 130–136.
100 Kadatz 1985, S. 125–134; Weickardt 1999, S. 29, 273–276.
101 Faltlhauser 2011, S. 89–93.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Title
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Subtitle
- Hof – Oper – Architektur
- Authors
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Editor
- Matthias Müller
- Publisher
- Heidelberg University Publishing
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Size
- 19.3 x 26.0 cm
- Pages
- 618
- Keywords
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Category
- Kunst und Kultur