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BRAUNSCHWEIG – WOLFENBÜTTEL – SALZDAHLUM:
RAUM- UND OPERNKONZEPTE SOWIE PERSONAL- UND
AUFFÜHRUNGSFRAGEN
Reinmar Emans
Kaum ein anderes Fürstenhaus hat eine derart interessante, weil heterogene Musik-
geschichte geschrieben wie das Welfenhaus, dessen beide Hauptlinien, die Braun-
schweig-Wolfenbüttelsche mit Residenz in Wolfenbüttel und die Braunschweig-
Lüneburgische mit Residenz in Celle bzw. Hannover, zwar territorial nahe beieinander
lagen, sich aber doch sehr unterschiedlich entwickelten. Doch gab es eine wichtige Ge-
meinsamkeit: Beide Linien pflegten ihre Liebe zu Venedig und damit zum Opernthea-
ter, das seit 1637 zahlreiche Besucher in die Lagunenstadt führte. Schon in den frühen
1650er-Jahren hatte sich Venedig gleichsam als ein Außenposten der Welfenhöfe etab-
liert. Die Welfen unterhielten dort einen prächtigen Palazzo
– die Ca’ Foscari, die noch im
18. Jahrhundert von Familienangehörigen genutzt wurde –, mieteten über Jahre hinweg
teure Logen (manchmal sogar innerhalb einer Saison in fünf Theatern) und folgten dem
Karnevalstreiben. Auch wenn es nicht en détail belegt werden kann, darf man wohl davon
ausgehen, dass die meisten venezianischen Erstaufführungen in dem Zeitraum von 1655
bis 1685 zumindest von dem einen oder anderen Welfenfürsten besucht wurden.
Bei dieser Begeisterung für die Oper kann es nicht verwundern, dass sowohl in
Wolfenbüttel als auch in Hannover alles Mögliche getan wurde, um dieses Vergnügen
auch in Norddeutschland zu etablieren. Eine Besonderheit bietet die höfische Oper in
Wolfenbüttel / Braunschweig insofern, als ihr gegen Ende des 17. Jahrhunderts nicht
nur verschiedene Spielstätten zur Verfügung standen, sondern dank der zweimal jähr-
lich in Braunschweig abgehaltenen Messe auch das zahlende Publikum mit einbezogen
wurde. Hierdurch stellt sich uns heute die Braunschweiger Oper als eine Mischung von
höfischer Oper
– da das Opernhaus nach wie vor ein herzogliches Haus war
– und der
öffentlichen Oper dar, wie sie parallel in Hamburg florierte. So plausibel eine Fokussie-
rung auf die Anfänge dieser vielfältigen Opernlandschaft auch sein mag, so wird eine
solche doch durch zahlreiche massive Defizite erschwert:
1. Es sind so gut wie keine Opernpartituren aus der Zeit zwischen 1684 und 1700 er-
halten, die einem dieser Spielorte zweifelsfrei zugeordnet werden könnten.
2. Offenbar sind auch nicht zu allen Opern der fraglichen Zeit Libretti erhalten geblie-
ben,1 wie sich aufgrund neu aufgefundener Dokumente belegen lässt.
1 So geht Richter 1963, S. 240, aufgrund der Quittungen von Harms davon aus, dass für die Jahre 1694,
1695 und 1698 vier, drei bzw. zwei Opernaufführungen bislang nicht nachweisbar sind.
Veröffentlicht in: Margret Scharrer, Heiko Laß, Matthias Müller: Musiktheater im höfischen
Raum des frühneuzeitlichen Europa. Heidelberg: Heidelberg University Publishing, 2019.
DOI: https://doi.org/10.17885/heiup.469
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Title
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Subtitle
- Hof – Oper – Architektur
- Authors
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Editor
- Matthias Müller
- Publisher
- Heidelberg University Publishing
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Size
- 19.3 x 26.0 cm
- Pages
- 618
- Keywords
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Category
- Kunst und Kultur