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Braunschweig – Wolfenbüttel – Salzdahlum
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in Planung war, erstaunt der im Libretto angegebene Aufführungsort und vor allem
die Tatsache, dass in Salzdahlum offenkundig Flugmaschinen zum Einsatz kommen
konnten. Da Anton Ulrich bereits in den 1660er-Jahren in Salzdahlum Grundbesitz zu
erwerben versuchte und es im Dezember 1672 endlich gelang, dort ein größeres Gut in
seinen Besitz zu bringen, bestand zumindest ab diesem Zeitpunkt, spätestens aber ab
1681 die Möglichkeit, dieses »Lust-Haus« zur allgemeinen Repräsentation und entspre-
chend auch zu Opern-Präsentationen zu nutzen. Leider liegen zu dem wohl von Anton
Ulrich ausgebauten Gut keine Beschreibungen vor, doch führte der Umstand, dass hier
Flugmaschinen einsetzbar gewesen sein sollen, bereits zu verständlichen Irritationen.12
In welchen Räumlichkeiten Proserpine sowie Lullys Psyché und Thésée in den Jahren
1686 und 1687 aufgeführt wurden, wissen wir nicht genau,13 denn der große Festsaal
wurde erst zwischen 1695 und 1697 in einem neuen Flügel des Schlosses fertig. Es
wurde daher meist angenommen, dass ein Raum im zweiten Obergeschoss eines Flü-
gels des Wolfenbütteler Schlosses genutzt wurde, der sich aber letztlich als ein fürstli-
ches Schlafzimmmer entpuppte.14 Plausibler scheint insofern die von Horst Richter mit-
geteilte These des Wolfenbütteler Kunsthistorikers Friedrich Thöne,15 die Opern seien
außerhalb des Schlosses in einer Reithalle dargeboten worden. Allerdings waren in
beiden Opern Flugmaschinen vorgesehen (in Psyché kommt Venus auf einer Wolke he-
runtergeschwebt und ein Himmelswagen erweitert zusätzlich die Szene; in Thésée nutzt
Apollo den Himmelswagen. Auch der fliegende Drache dürfte entsprechende Maschi-
nen benötigt haben). Ähnliches gilt für Antonio Gianettinis ebenfalls 1686 aufgeführte
Hermione, in der sich der Himmel öffnet und Mars heraustritt. Zudem wurde auf Ver-
anlassung von Herzog Anton Ulrich dieser Oper ein Ballett hinzugefügt, das der Reprä-
sentation des Hofes diente.16 Ob das alles in der Reithalle umsetzbar war, bleibt fraglich.
Etwas besser unterrichtet sind wir über das Wolfenbütteler Opernhaus, das 1688
nach nur einjähriger Bauzeit fertiggestellt wurde und gewiss vor allem gegenüber der
12 Zu der Grundstückserwerbung und dem mutmaßlichen Ausbau eines ersten Schlosses siehe Gerkens
1974, S. 44–47. Richter 1963, S. 65: »Eine feste Bühne mit technischen Einrichtungen kann jedoch
nicht bestanden haben, da das Haus selbst nur bescheidene Maße aufwies. Anzunehmen ist ein Saal-
provisorium, wenngleich in Szenenanweisungen für diese Einrichtung die üblichen anspruchsvollen
Forderungen gestellt werden.«
13 So verzeichnet Grote 2005, S. 180, die fraglichen Opern im Zusammenhang mit der Errichtung des
Opernhauses, welches aber erst 1688 mit Gianettinis Medea eröffnet wurde. Auch Gerkens 1974, S.
29,
spart die fragliche Zeit aus: »Die bis in die 1670er Jahre geübte Praxis, Opern und Ballette in mehr oder
weniger improvisierter Gestalt in den Sälen des Schlosses von Wolfenbüttel und nach 1694 in dem klei-
nen Theater in Salzdahlum aufzuführen, konnte den hochgesteckten Ansprüchen Anton Ulrichs […]
nicht länger genügen.« Auf Angaben zum Aufführungsort verzichtet auch Smart 1989.
14 Richter 1963, S. 64.
15 Ebd.
16 Herzog Anton Ulrich schreibt am 26.
Juni 1686 an seinen Sohn August Wilhelm: »Ich hoffe, wir werden
Dich nun bald wieder hier sehen, inmittels praeparieren wir uns zu der Meße, und kommt in die Her-
mione im prologo ein etliches Ballet.« NLA WO, Sig. 1 Alt 22, 285, zitiert nach Gerkens 1974, S. 28.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Title
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Subtitle
- Hof – Oper – Architektur
- Authors
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Editor
- Matthias Müller
- Publisher
- Heidelberg University Publishing
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Size
- 19.3 x 26.0 cm
- Pages
- 618
- Keywords
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Category
- Kunst und Kultur