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Umkämpfte Inselreiche – Teichtheateraufführungen in Versailles und Wien zwischen 1664 und 1716
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Aufgabe gestellt, dem Zauber etwas entgegen zu setzen, von der Dominanz der Magie-
rinnen loszukommen. Im Zuge der Befreiung der Helden aus der Macht der Zauberin
erfolgt eine Entzauberung der Insel. Entscheidend für das weitere Schicksal der Insel
ist, welches ihrer Erscheinungsbilder sich durchsetzen soll. Während in Wien die Aus-
sicht besteht, sich ein üppig blühendes Inselreich anzueignen, das unter habsburgischer
Flagge nach eigenen Maßstäben gestaltet werden kann, weckt die in Versailles reali-
sierte Felseninsel offenbar kein vergleichbares Begehren. Vielmehr stellt der auf ihr in-
stallierte Palast in den königlichen Gärten einen den Blick behindernden Fremdkörper,
die Zauberin eine Besatzerin französischer Territorien dar, deren Macht über die Insel
bis in die zum Schloss Ludwigs XIV. weisende Allee hineinreicht.
In Versailles, wo die Isolation der künstlichen Landmasse bis zuletzt erhalten bleibt,
wird durch ihre Zerstörung das ursprüngliche Äußere des Gartens wieder hergestellt,
in Wien durch die Angliederung der Insel der Garten erweitert. Die überwundene Zau-
berin geht in Versailles gemeinsam mit ihrem Wehrhaftigkeit vermittelnden Palast un-
ter, in Wien werden Circe und Alcina zu einem tugendhaften Lebenswandel bekehrt.
Sinnbildliche Vernichtung auf französischer Seite stehen Eroberung bzw. Aneignung
und Bekehrung auf habsburgischer Seite gegenüber.
Dadurch reflektieren die Auswahl der Stoffe und ihre Bearbeitung auch die jeweils
aktuellen Herrschaftsansprüche und Konflikte der Regenten, denen zu Ehren das Ballett
bzw. die Opern aufgeführt wurden. Im Rahmen der genannten Teichtheateraufführun-
gen ließ sich Ludwig
XIV. als Kriegsherr inszenieren, während Leopold
I. und sein Sohn
Karl VI. bevorzugt als Friedensstifter auftraten.
Abbildungsnachweise
Abb. 1 Molière / Benserade 1673, Bibliothèque nationale de France, RES-V-498, S.
[3].
Abb. 2 André Le Nôtre, Plan general du Chateau et Petit Parc de Versailles comme il
estoit Enciennement avant que le Roy y eut fait travailler, Paris, Bibliothèque
de l’Institut de France, Recueil des dessins, plans et vues des villes de France,
Ms. 1307, folio 68.
Abb. 3 Wien, KHM-Museumsverband, Theatermuseum, HZ_HU36998.
Abb. 4 Bibliothèque nationale de France, DG 13205.
Abb. 5 Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Min 9, Band 3, fol. 168.
Abb. 6 Deutsches Theatermuseum München, R32, Inv. Nr. I 9077–1.
Abb. 7 Deutsches Theatermuseum München, R32, Inv. Nr. I 9077–2.
Abb. 8 Wien, Österreichische Nationalbibliothek, BE.12.Q.18.
Abb. 9 Wien, Österreichische Nationalbibliothek, BE.12.Q.18.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Title
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Subtitle
- Hof – Oper – Architektur
- Authors
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Editor
- Matthias Müller
- Publisher
- Heidelberg University Publishing
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Size
- 19.3 x 26.0 cm
- Pages
- 618
- Keywords
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Category
- Kunst und Kultur