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Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern - Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
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Page - 12 - in Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern - Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag

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– Im eher sakralen (humanistischen, ethnologischen) Verständnis bedeutet »Mythos« eineGeschichte, die vonGötternundHeldenhandelt5– im letz- terenFallwäre esdemnacheineSage. – ImeherpolitischenDeutungsgebrauchverstehtmanunter »Mythos«hinge- gen eineausgeschmückteGeschichte, dieHerrschaft festigen soll.– Indie- semVerständnis rücktderMythos indieNäheder Ideologie. Diese drei Bedeutungsfelder weisen in der Praxis häufig inhaltliche Über- schneidungen auf. Historische Personen, fiktive Figuren, Ereignisse, Orte, In- stitutionen,Ideen–alleskannzumMythoswerden.RolandBartheshatinseinen 1957 erschienenen »Mythologies« gezeigt, dass dasMythische nicht auf einen antikenKanonbegrenzt ist. Dabei ist er ebennicht zu verwechselnmit einem geschichtlichen Irrtum,denn»derMythosverbirgt nichtsundstellt nichts zur Schau.Erdeformiert.DerMythosistwedereineLügenocheinGeständnis.Erist eineAbwandlung.«6Esistnichtso,dassderMythoseineprimitiveVorformder Geschichtewäre,vielmehrstehterparallelnebenihr.Ebensoweniggibteseine TeleologievomMythoszumLogos.DerMythosdefiniertsichnichtdurchseinen Inhalt,sonderndurchdieArtundWeise,wieerdasMythischefasst.FürBarthes sinddieGrenzendesMythosnicht inhaltlicher, sondern formalerNatur.7Ent- scheidend ist, auf welcheWeise er sinnstiftend wirkt – etwa, indem erWelt- deutungenbietet,Normentradiert, IdentitätsangebotemachtoderKomplexität reduziert.BarthesverstehtMythenalssemiotischeOrdnungen,dieGewordenes als etwasEwiges undUnveränderbares erscheinen lassen.DerMythospräsen- tiert gesellschaftlicheVerhältnisse als »natürlich«, indemer ihre innereHisto- rizität leugnet. Insofern ist ein »Geschichtsmythos« eigentlich ein Paradoxon, dennderMythosbezieht sich zwar immeraufdieVergangenheit,8doch inner- halbdesMythos stehtdieZeit still.9 Geschichtsmythen schaffen insbesondere den narrativen Zusammenhalt einer Gemeinschaft und binden die Gegenwart an eine sinngebende Vergan- genheit zurück. AuchHerfriedMünkler hat diesen legitimierendenCharakter von Mythen herausgestellt, mit denen sie bestehende politische Ordnungen bekräftigenundGemeinschaften eine Identität verleihen.10 ImProzessderNa- 5 Vgl.v.a.MirceaEliade,DasHeiligeunddasProfane.VomWesendesReligiösen,Frankfurtam Main: InselVerlag, 1998 (Paris 1965); ders.,MythosundWirklichkeit, Frankfurt amMain: InselVerlag, 1988 (Paris 1963). 6 RolandBarthes, »MythendesAlltags« (1957), in:Mythentheorie, 91–105, 99. 7 RolandBarthes,MythendesAlltags, Frankfurt amMain: Suhrkamp, 1964, 85.Neuauflage undvollständigeAusgabe:Frankfurt amMain,Berlin: Suhrkamp,2010. 8 ClaudeL8vi-Strauss, »DieStrukturderMythen« (1955), in:Mythentheorie, 59–74, 62. 9 ErnstCassirer,Philosophie der symbolischenFormen.ZweiterTeil: DasmythischeDenken, Hamburg:FelixMeiner, 2010, 124–125. 10 HerfriedMünkler,DieDeutschenund ihreMythen, Berlin:Rowohlt, 2009. RolandBernhardetal.12 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY
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Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
Title
Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Subtitle
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
Authors
Roland Bernhard
Susanne Grindel
Felix Hinz
Editor
Christoph Kühberger
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7370-0686-6
Size
15.5 x 23.2 cm
Pages
294
Category
Lehrbücher
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