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worden seien und in den Kulturwissenschaften nicht einfach mit Lügenge-
schichten gleichgesetzt würden, die es zu bekämpfen und zu enttarnen
gelte. 2010 bricht Pandel schließlich die schlichte Gegenüberstellung vonGe-
schichtswissenschaft undMythen auf und bezeichnet letztere als »besondere
FormendesErzählens, die sichnicht aufbestimmte Inhalte festlegen lassen.«39
FürFilser eignet sichderMythos imUnterricht, umSchülerinnenundSchüler
exemplarisch indie europäischeGeschichts-undErinnerungskultureinzufüh-
ren. Das erhöhe die »historisch-politische Allgemeinbildung«40 und führe zu
einemreflektierteneuropäischenBewusstsein.
Eugen Kotte hat das Thema jüngst wieder aufgegriffen und eine Zusam-
menschau des geschichtswissenschaftlichen und geschichtsdidaktischen Dis-
kursesvorgestellt.Mythen–solässtsicheinFazitausdenDiskussionenziehen–
verweisen auf vergangene Realitäten und betreiben »imHinblick auf gegen-
wärtige Fragestellungen dezidierte Sinnstiftung«,41 wobei sie die Orientie-
rungsbedürfnisse ausnützen und mit komplexitätsreduzierenden Deutungen
gemeinschaftlicheIdentitätkonstruieren.Dabeikönnensie legitimierendeoder
delegitimierende Funktionen erfüllen oder kanonisierte Werte veranschauli-
chen.42SiebeinhalteninjedemFall»FaktizitätwieFiktionalität«.43Weitüberdie
Fähigkeit hinausgehend eine »wahre« von einer »erfundenen«Geschichte un-
terscheiden zu können, eignet sich die Frage, inwiefern es sich bei konkreten
historischen Narrativen um Mythen handelt, um damit eine argumentative
AuseinandersetzungumhistorischeOrientierungen zu inszenierenundhisto-
rischesDenkenzuinitiieren.EinLernprozessmiteinemsolchenFokuszieltauf
dieEntwicklungderhistorischenDe-KonstruktionskompetenzderLernenden.44
Zufragenwäredabeiaber,welcheKriteriengeeignetsind,umdiesenProzesszu
befördern.
Sosollnun imFolgendenaufbauendaufÜberlegungenvonJörnRüseneine
geschichtsdidaktische Theoriegrundlage vorgeschlagen werden, mit der Nar-
rativeimHinblickaufdieFrageuntersuchtwerdenkönnen,inwiefernessichbei
ihnenumMythenhandelnkönnte.DazugehörtsowohldieAnalysehinsichtlich
unterricht?«, in: Volker Dotterweich (Hg.), Mythen und Legenden in der Geschichte,
267–289, 268.
39 Pandel,HistorischesErzählen, 62.
40 Filser,Vergangenheit, 285.
41 Eugen Kotte, Geschichtswissenschaftliche und geschichtsdidaktische Mythosforschung, in:
JürgenJoachimsthalerundEugenKotte(Hg.):Kulturwissenschaften.Konzepteverschiedener
Disziplinen,München2010, 103–125, 118.
42 Ebd.
43 Ebd., 124.
44 AndreasKörber,Waltraud Schreiber undAlexander Schöner (Hg.),Kompetenzen histori-
schen Denkens. Ein Strukturmodell als Beitrag zur Kompetenzorientierung in der Ge-
schichtsdidaktik,Neuried: arsuna, 2007.
Was ist einhistorischerMythos? 19
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY
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Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Title
- Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
- Subtitle
- Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Authors
- Roland Bernhard
- Susanne Grindel
- Felix Hinz
- Editor
- Christoph Kühberger
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0686-6
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 294
- Category
- Lehrbücher