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als Heimsuchung Europas hatte in der Geschichte vielfältige Gesichter: Es
konnte das Persische Großreich sein2, die Hunnen3, die Mongolen4, der Bol-
schewismusundseit seinerEntstehung immerwiederder Islam5.
Dies macht es zumindest in der historischen Rückschau schwierig zu be-
haupten, der Islam gehöre zu Europa. Selbst wenn dies heute aufgrund von
Migration und Globalisierung in vielfacher Hinsicht zutrifft, steht fest, dass
»Europa« in der gegenwärtigen Formohne das Feindbild »Asien«/»Islam«nie
entstandenwäre.6DerAbwehrkampfgegen»Asien«wardie letzteKlammer,die
nichtnurdieunterschiedlichenHellenen, sondernbeispielsweise auchGerma-
nen und Römer, ja sogar Protestanten und Katholiken selbst während der
Konfessionskriegenochzusammenhielt.7
Wesentlicher Bestandteil desMythos Europa ist die Vorstellung, dass »Eu-
ropa« immerwiedervorderZerstörungdurch»Asien«gerettetwerdenmusste.
Um diese zu konkretisieren, sollen in diesem Beitrag deutsche Schulge-
schichtsbücherhinsichtlich ihrerAussagenüber zweiKampf-Mythen8der ver-
meintlichenRettungen untersucht werden, nämlich die Schlachten vonMara-
thon(490v.Chr.)undSalamis(480v.Chr.)gegendiePerser(vonOsten)unddie
SchlachtvonToursundPoitiers(732n.Chr.)gegendieAraber(imWesten).Hier
wiedortbehauptendie traditionsreichenMythen,dass»Europa« imFalleeiner
Niederlageüberrannt,besetztundseinerFreiheitberaubtwordenwäre.Eshätte
also aufgehört zu existieren, was aus europäischer Perspektive einer histori-
schen Katastrophe gleichgekommen wäre, die jedoch abgewendet werden
konnte,wasdieProtagonistenzuverklärtenHeldenwerden ließ.
In einem ersten Teil sollen jeweils kurz die bekannten Fakten sowie die
WertungenderEreignissederdamaligenZeitgenossen skizziert undaufdieser
Grundlage schlaglichtartig einige besonders aussagekräftige Wertungen aus
deutschen Schulbüchern des neunzehnten Jahrhunderts eingefangen werden,
die dieVitalität desMythos auf demHöhepunkt seinerWirkungskraft veran-
schaulichen.
2 490v.Chr.Marathon;480v.Chr. Salamis.
3 451n.Chr.KatalaunischeFelder.
4 1241Liegnitz.
5 732Tours& Poitiers; 1529und1683Wien.
6 Vgl.weiterführend:ThomasKaufmann, »KontinuitätenundTransformationen imokziden-
talen Islambilddes 15.und16. Jahrhunderts«, in: LotharGallundDietmarWilloweit (Hg.),
Judaism, Christianity, and Islam in the Course of History, München: Oldenbourg, 2011,
287–306.
7 Vgl.z.B.protestantisch:MartinLuther,HeerpredigtwiderdieTürken(1529)undkatholisch:
AbrahamaSantaClara,AucheineHeerpredigtwiderdieTürken,oder:Auff,auffIhrChristen!
Das ist: eine bewegliche Anfrischung der christlichenWaffen gegen den türkischen Blutegel
(1683).
8 Vgl. zumKonzept: Joseph Fontenrose, Python, A Study of Delphic Myth and Its Origins,
Berkeley:UniversityofCaliforniaPress, 1959.
FelixHinz34
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY
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Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Title
- Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
- Subtitle
- Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Authors
- Roland Bernhard
- Susanne Grindel
- Felix Hinz
- Editor
- Christoph Kühberger
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0686-6
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 294
- Category
- Lehrbücher