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prägte. Sparta war eine monarchisch regierte, auf Unterdrückung anderer
GriechenberuhendeKriegspolis.BeiMarathonbliebdenSpartanernnichts,als
denRivalenumdiegriechischeVorherrschaft aufdemSchlachtfeldRespekt zu
zollen. Immerhinwarensiebereit gewesen,nichtnurdenIsthmusvonKorinth
zu verteidigen, sondern gemeinsam mit den Athenern auch um Attika zu
kämpfen. Um ihrVersagen beiMarathonwettzumachen, beschlossen sie 480,
sichandennochvielweiternördlichgelegenerenThermopylentollkühnnahezu
allein dem persischen Heer zu stellen und mit ihrem Opfertod den eigenen
Suprematieanspruch nicht sterben zu lassen. Dadurch legten sie ebenfalls die
Grundlage füreinenMythos–allerdingseher füreinensolchen,derdenBeifall
späterer totalitärer und faschistischer Regime fand, nicht aber Eingang in die
europäische Idee fand.
Dabei sollte erwähntwerden,dass sichdieGriecheneigentlich gar nicht als
Europäer verstanden, sondernals jenenHortderZivilisation,dergewisserma-
ßen zwischen »Europa«und»Asien« liegt und in sich aus beiden Sphärendas
Bestevereinigt,wieAristotelesmeint.13
Was wäre passiert, wenn Daraios und Xerxes gesiegt hätten? – Diese ent-
scheidendeFrage istheuteschwerzubeantworten.DerUntergangSpartaswäre
fürdieweitereEntwicklungEuropaswohlkeinentscheidenderVerlustgewesen.
In Athen jedoch wäre vermutlich eine perserfreundliche Tyrannis etabliert
worden, und die Perser hätten es nicht mehr als eine Stadt unter vielen sein
lassen.DieDemokratie,dieattischeTragödie,diepolitischeRationalitätoderdie
Baukunst aufderAkropoliswarenallesamtEpiphänomenedesSiegesüberdie
Perser. Dass die radikale attischeDemokratiemit heutigenwestlichenDemo-
kratienkaumvergleichbarwarund ihreaggressivePolitikmitheutigenwestli-
chenWerten nicht kompatibel ist, ficht den durch die beiden Schlachten be-
gründetenMythosnicht an.
DieDeutungenderFakten indenQuellen
DerSiegüberdiePerserhatte jedochnochaufandererEbeneüberauswichtige
Folgen: Der Stolz der Griechen auf die Athener und die Erfolge des späteren
13 Aristoteles, »PolitikVII, 7«: »DieVölker indenkaltenStrichenEuropassindzwarmutvoll,
habenaberweniggeistigeundkünstlerischeAnlageundbehauptendeshalbzwarleichterdie
Freiheit, sindaberzurBildungstaatlicherVerbändeuntüchtig […].DieasiatischenVölker
habeneinenhellenundkunstbegabten,dabeiaberfurchtsamenGeist,unddeshalbbefinden
sie sich inbeständigerDienstbarkeit undSklaverei.DasGeschlechtderGriechenaberhat,
wieesörtlichdieMittehält,soauchandenVorzügenbeiderteilundistmutigundintelligent
zugleich.«; zit. nach: Hagen Schulze und Ina Ulrike Paul (Hg.), Europäische Geschichte.
QuellenundMaterialien,München:BayerischerSchulbuchVerlag, 1994, 30.
DieeuropäischenRettungsmythenMarathon/SalamisundTours/Poitiers 37
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY
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Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Title
- Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
- Subtitle
- Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Authors
- Roland Bernhard
- Susanne Grindel
- Felix Hinz
- Editor
- Christoph Kühberger
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0686-6
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 294
- Category
- Lehrbücher