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Attischen Seebundes gegen die Perser bescherten Europa denAnfang derGe-
schichte(verstandenalshistoriarerumgestarum),dennsieanimiertenHerodot,
den »Vater der Geschichtsschreibung«, zu seinen Historien, deren Schwer-
punktthemendiePerserkriegebeziehungsweisederKampfEuropasgegenAsien
sind. Sein historischesWerk zählt noch heute zu denwuchtigsten überhaupt,
denn sein formales Vorbildwaren die griechischen Epen, so dass er eine Ge-
schichte erschuf, in der dieAthenerwieHomerischeHelden erscheinen.14Die
Jahre nach Salamis zeichneten Athen einen glanzvollenWeg vor. Dieser war
allerdings von einem »athenozentrischen Kulturimperialismus ohnegleichen«
geprägt, der für seine Zwecke »bewusstMythenfälschungen inKauf nahm, ja,
solchemittels derKunst undder großenTragödien geradezu beförderte«,wie
Michael Sieblerkürzlich ineinemganzseitigenBeitragdesFeuilletonsderFAZ
formulierte15–einHinweisdarauf,dassderMythosumMarathonundSalamis
auch indergegenwärtigenGeschichtskulturnocheineRolle spielt.
Herodot dürfte auch von diesen attischen »Mythenfälschungen« bezie-
hungsweiseMythenstiftungen beeinflusst worden sein und beteiligte sich auf
dieserGrundlagenachhaltiganderGenerierungvonweiteren. InRückbindung
an sakrale Mythentraditionen führte er, so die Interpretation Hans Blumen-
bergs, die »Idee«des »welterschütterndenKonflikts« auf dieMissgunst des im
VergleichzuseinenmythischenVorgängernwenigermächtigenZeusgegenüber
denMenschenzurück.16
Herodot legtdemXerxes folgendeWorte indenMund:
WennwirdieAthener undderenNachbarvölker […]unterworfenhaben, sodehnen
wir das Persische Reich soweit aus, daß esmit demHimmel zusammenstößt. Kein
Nachbarland Persiens soll dann mehr die Sonne bescheinen, sondern alle Länder
machenwir zueinemeinzigenReichundziehendurchganzEuropa.17
Woher Herodot die genauen Absichten des Großkönigs gekannt haben will,
verrät er dem Leser freilich ebenso wenig wie die genaueren Umrisse seines
Europa-Konzepts beziehungsweise dasjenige des Xerxes. Bei Herodot tritt
zudemdeutlich die neueUnterscheidung zwischenHellenen (=Zivilisierten)
und »Barbaren« zutage. Der Barbarentopos ist ein sehr vielschichtiger. Was
Herodotmit ihmverbindet,mag folgende Passage veranschaulichen, die sich
14 OswynMurray,Das früheGriechenland,München:dtv, 5.Auflage1995, 357.
15 MichaelSiebler,»AlsAthenzurGroßmachtwurde.WotobtedieSchlachtvonSalamis?«, in:
FrankfurterAllgemeineZeitung, 23.April 2015, 9.
16 Hans Blumenberg, »Arbeit amMythos« (1979), in: Texte zur modernenMythentheorie,
191–218, 198.
17 Herodot,Historien, BuchVII, Deutsche Gesamtausgabe, übersetzt vonAugust Horneffer,
Stuttgart:Kröner, 4.Auflage1971, 438.
FelixHinz38
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY
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Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Title
- Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
- Subtitle
- Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Authors
- Roland Bernhard
- Susanne Grindel
- Felix Hinz
- Editor
- Christoph Kühberger
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0686-6
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 294
- Category
- Lehrbücher