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lisierung des Vaterlandes als oberster Legitimationsinstanz einschließlich der
Forderung, das eigene Leben dafür zu opfern.«17 Ein früher Vertreter eines
modernen Nationalismus war der Zweibrücker Gymnasialprofessor Johann
ValentinEmbser (1749bis1783)der1779seinBuchgegenDieAbgöttereiunsers
philosophischenJahrhunderts:ErsterAbgottewigerFriedenveröffentlichte.18Am
Titel seines Buches wird deutlich, dass sich Embser gegen eine herrschende
Meinung imDiskurs seinerZeitwendete. Er formulierte aberThesen, diebald
mehrheitsfähigwerdensollten.DemNationalismuswiesereine führendeRolle
imWertekanonzu,denn für ihnwaren»LiebedesVaterlandes,Verachtungder
Ausländer,Nationalstolz,TapferkeitundPatriotismus–dieerstenTugendender
Nationen«. Obgleich Arminius auch von Embser erwähnt wurde,19 fehlte der
Cheruskerfürst allerdingsnoch in seiner Liste vonheldenhaftenVolksführern,
diebeiEmbserGustavWasa, FriedrichvonPreußenundAchill umfasst.20
Für die Fokussierung des deutschen Nationaldiskurses des achtzehnten
Jahrhunderts auf die Nation als imaginierte Kampfgemeinschaft sorgten die
ErfahrungendernapoleonischenZeit.DieZerschlagungdesAltenReiches, die
Auflösung vieler Territorien, die unmittelbare Besetzung von deutschen Ge-
bieten und die damit verbundenen Belastungen durch Kontinentalsperre,
KontributionenundRekrutierungen21wirktenalsKatalysator fürdieFormung
einerVorstellungvonderNation,derenMissionessei,das»deutsche«Volkvon
derFranzosenherrschaft zubefreien.Es istnicht zuübersehen,dasszahlreiche
bedeutende Intellektuelle wieHeinrich vonKleist, Friedrich Ludwig Jahn, Jo-
hann Gottlieb Fichte, Ernst Moritz Arndt, Theodor Körner und auch der
Schulbuchautor Gabriel Bredow in der Auseinandersetzungmit Napoleon zu
einemmilitantenNationalismus fanden.Weite Teile der Bevölkerung blieben
davon in napoleonischer Zeit zwar nochunberührt, aber die gesellschaftliche
BasisdesNationalismuswuchs stetig.22SoglaubtendiepreußischenMilitärre-
former,mit derVerbreitungder Idee von einerNationmehrmilitärisches Po-
tenzial mobilisieren zu können als in der Ständegesellschaft,23 wobei sie
17 Planert,WannbeginntdermoderneNationalismus, 53.
18 JohannValentinEmbser,DieAbgöttereiunsersphilosophischenJahrhunderts.ErsterAbgott:
EwigerFriede,Mannheim:Schwan, 1779, 163.
19 Ebd., 118.
20 Ebd., 64.
21 DieterLangewiesche,Nation,NationalismusundNationalstaat,München:C.H.Beck,2000,
198.
22 Ebd.;UtePlanertempfiehltdahervoneinerSattelzeitdesmodernenNationalismusvon1740
bis1830zusprechen, vgl. Planert,WannbeginntdermoderneNationalismus, 27.
23 HeinzStübig, »Berenhorst,BülowundScharnhorstalsKritikerdespreußischenHeeresder
nachfriederizanischenEpoche«, in: PeterBaumgartu.a. (Hg.),DiepreussischeArmeezwi-
schen Ancien R8gime und Reichsgründung, Paderborn u.a.: Ferdinand Schöningh, 2008,
107–120, 118.
DerHermannsmythos indeutschenSchulbüchernvon1800bis2000 63
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Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Title
- Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
- Subtitle
- Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Authors
- Roland Bernhard
- Susanne Grindel
- Felix Hinz
- Editor
- Christoph Kühberger
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0686-6
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 294
- Category
- Lehrbücher