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imausgehendenneunzehntenJahrhundertdemmonarchischenEinheitsstaat in
derRegelpositivgegenüberstanden,sahensiesichauchalsWissenschaftler,die
politische oder gesellschaftliche Vorgaben für den Geschichtsunterricht ab-
lehnten.76 InderSchulbuchproduktionlässtsichzudemnachderGründungdes
Kaiserreichs einWechsel voneiner als »christlich-germanisch« charakterisier-
tenGrundhaltung der Autoren, die nach der napoleonischen Zeit ausgebildet
wurde, zu mehr Wissenschaftlichkeit beobachten.77 Außerdem wurde die
Schulbuchproduktionzunehmendprofessionalisiert,wobei sich einigeVerlage
eine gute Stellung auf dem Schulbuchmarkt erarbeiteten, die auch wissen-
schaftliche Titel verlegten und so eine enge Verbindung zur akademischen
Forschunghatten.78InsofernwirktesichdieUnterstützungderWissenschaftfür
eine relativierende Einschätzung derVarusschlacht aufUnterricht und Schul-
bücher aus, ohnedassman jedochvoneiner flächendeckendenEntmythologi-
sierung sprechen kann.Dies hat auch dieWissenschaft imneunzehnten Jahr-
hundertnochnicht erreicht.
In derWeimarer Republik wurde der Hermannsmythos vomGründungs-
mythos zumRettungsmythos transformiert, wobei sich das Gewicht dermy-
thischen Elementen in den Schulbuchtextenmöglicherweise verschoben, aber
Deutschland, Bielefeld, Leipzig:Velhagen&Klasing, 1912, 24–26.Auch indenösterreichi-
schenSchulbüchernwerdendieGermanenkriege sachlicherdargestellt alsbeiBredow,vgl.
ElisabethMonyk,ZwischenBarbarenklischeeundGermanenmythos. EineAnalyseösterrei-
chischerGeschichtslehrbücherzwischen1891und1945,Wien:Lit, 2006,291;Ganz imSinne
desMythos: Gottlob Egelhaaf, »Die Schlacht imTeutoburgerWalde«, in:Deutsche Rund-
schau140 (1909), 409–423.
76 JoachimRohlfes,»DeutscherGeschichtsunterricht im19. Jahrhundert«, in:GWU55(2004),
382–400, 395;BjörnOnken, »Die athenischeDemokratie inSchulbücherndeskaiserlichen
Deutschlands unterWilhelm II.«, in: Dagmar Bussiek und Simona Göbel (Hg.), Kultur,
Politik undÖffentlichkeit. Festschrift für Jens Flemming, Kassel: University Press, 2009,
215–229, 218. Die von Barbara Hanke allgemein im Geschichtsunterricht beobachtete
Überlagerungdes Prinzips derWissenschaftlichkeit durchnationalpatriotischeZiele lässt
sichinBezugaufdieVarusschlachtnichtfeststellen,vgl.BarbaraHanke,Geschichtskulturan
höheren Schulen von der Wilhelminischen Ära bis zum Zweiten Weltkrieg. Das Beispiel
Westfalen, Berlin:Lit, 2011, 39f.
77 Sievertsen,DieDeutschenund ihreGermanen, 48–63.
78 Georg Jäger, »DerSchulbuchverlag«, in:Ders. (Hg.),GeschichtedesdeutschenBuchhandels
im 19. und 20. Jahrhundert. Das Kaiserreich 1871–1918, Teil 2, Frankfurt amMain:MVB
Marketing-undVerlagsservicedesBuchhandels, 2003, 62–102, 79–84;ThomasKeiderling,
»Der Schulbuchverleger und sein Autor. Zu Spezialisierungs- und Professionalisierungs-
tendenzen im19. und frühen 20. Jahrhundert«, in:Heinz-WernerWollersheimu.a. (Hg.),
DieRolle vonSchulbüchern für Identifikationsprozesse in historischer Perspektive, Leipzig:
LeipzigerUniversitätsverlag, 2002, 87–95, 95;VolkerTitel, »DieMarktsituationdes Schul-
buchhandels im19.undfrühen20. Jahrhundert«, in:Heinz-WernerWollersheimu.a.(Hg.),
DieRolle vonSchulbüchern für Identifikationsprozesse in historischer Perspektive, Leipzig:
LeipzigerUniversitätsverlag, 2002, 71–86.
DerHermannsmythos indeutschenSchulbüchernvon1800bis2000 75
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Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Title
- Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
- Subtitle
- Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Authors
- Roland Bernhard
- Susanne Grindel
- Felix Hinz
- Editor
- Christoph Kühberger
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0686-6
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 294
- Category
- Lehrbücher