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nicht grundlegend verändert haben dürfte,79was hier nicht weiter analysiert
werden kann. Für die Nationalsozialistenwar der Hermannsmythos eine zur
StärkungderdeutschnationalenGesinnungnützlicheTradition,diesichgutmit
der Rassenideologie verbinden ließ.80Einige führendeNationalsozialistenwie
HeinrichHimmler inszenierten einen regelrechtenGermanenkult und schnell
verbreitete sichbis indie SchulbücherdieAuffassung, dass dieGermanender
UrsprungdereuropäischenKulturvölker seien.81DerHermannsmythos erhielt
inderNS-PropagandaaberkeinetragendeRolle.ObwohldasnordischeElement
in seiner Rassenideologie eine Schlüsselrolle spielte, schätzte Hitler die grie-
chisch-römischeAntikemehr als die vorgeschichtliche BevölkerungDeutsch-
lands.ZudemstanddieAchsemit Italien seit 1936einer allzu feierlichenErin-
nerung an die germanisch-römischenKämpfe entgegen.82Die Zurückhaltung
desFührers ließsogarRaumfürwenigergermanophileStimmen:Sowurdedas
1922 erschieneneWerkEpochendeutscherGeschichtevomregimefreundlichen
TübingerProfessor JohannesHallernach1933mehrfachneuaufgelegt,obwohl
Haller darin ausführlich darlegt, dass ermit demMittelalter beginne,weil die
Germanen für ihn kein Teil der deutschen Geschichte seien.83 Entsprechende
Aussagen finden sich 1934 im ersten BandDeutsche Geschichte des Privatge-
lehrtenJohannesBühler.84DominierenkonntendieseStimmendenDiskursbis
1945abernicht.
DerHermannsmythos indeutschenSchulbüchernnach1945
Das Epochenjahr 1945 brachte für die Rezeption der Varusschlacht in
Deutschland einen tiefen Einschnitt, denn angesichts desMissbrauchs durch
denNationalsozialismusverlorder traditionelleNationalismus seineFunktion
alsBasis fürdiekollektive IdentitätderDeutschen.85Damitbestandseitensder
79 Riemenschneider sieht eine Kontinuität in der Darstellung desMythos, er hat allerdings
zuvordasKaiserreich starkmit nationalistischenDarstellungenverbunden, vgl. Ders.,Le
mythe national, 137. Veränderungen in der Darstellung der Germanen sind durchaus
sichtbar,wirkensichaberwohlnichtmaßgeblichaufdieDarstellungderVarusschlachtaus,
vgl. Sievertsen,DieDeutschenund ihreGermanen, 101–140.
80 Vgl.Riemenschneider,Lemythenational, 141.
81 Sievertsen,DieDeutschenund ihreGermanen, 162–189.
82 Johann Chapoutot,Der Nationalsozialismus und die Antike, Mainz: Philipp von Zabern,
2014, 81–85.
83 JohannesHaller,EpochenderdeutschenGeschichte,Neuausgabe,62.–67.Tausend,Stuttgart:
J.G.CottascheBuchhandlung, 1941, 11–13.
84 Johannes Bühler,Deutsche Geschichte. Urzeit, Bauerntum und Aristokratie bis um 1100,
Berlin,Leipzig:WalterdeGruyter& Co,1934, 3f.
85 HeinrichAugustWinkler,»Nationalismus,NationalstaatundnationaleFrageinDeutschland
BjörnOnken76
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY
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Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Title
- Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
- Subtitle
- Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Authors
- Roland Bernhard
- Susanne Grindel
- Felix Hinz
- Editor
- Christoph Kühberger
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0686-6
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 294
- Category
- Lehrbücher