Page - 80 - in Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern - Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
Image of the Page - 80 -
Text of the Page - 80 -
einenentscheidendenErfolghin. ImJahre9n.Chr.wurdesogareingroßesrömisches
Heer von den Germanen aufgerieben. Schließlich gaben die römischen Kaiser ihr
Vorhabenauf,dieGermanenzuunterwerfen.98
DieseDarstellunghatkeinenBezugzumMythosmehr,siekommtvielmehrganz
ohne den Helden Arminius aus und nimmt eine römische Perspektive ein,
indemsie die germanischenAngriffe auf römischeProvinzen alsKriegsgrund
angibt.DerUmbruch indenSchulbüchernkorrespondiertemit derDurchset-
zungneuerPositionen inderGeschichtsdidaktik99undderwissenschaftlichen
Diskussion,die indiesen Jahreneinsetzte. Ebenfalls 1970 erschien einevielbe-
achtetewissenschaftlicheStudievonDieterTimpe,derArminiusdasNationale
undHeldenhafte weitgehend absprach, indem er ihn als römischenMeuterer
charakterisierte.100SchonAnfangder1960er JahrehatteReinhardWenskusmit
seinenForschungenzurStammesbildungbeidenGermaneneiner zunehmend
kritischenBetrachtungderGermanenalsethnischerKategoriedenWeggeebnet
und Klaus von See hat seit den frühen 1970er Jahren in einer Vielzahl von
Veröffentlichungen ideologische Hintergründe der deutschen Germanenvor-
stellungen herausgearbeitet.101 Mit diesen neuen Voraussetzungen kam Her-
mann unter anderenVorzeichenwieder stärker in die öffentliche Geschichts-
kultur. So erlebte das StückHermannsschlacht von Kleist eine viel beachtete
Neuinterpretation in Bochum,102 aber von seiner früherenBedeutung blieb es
weitentfernt.InderFestschriftzumhundertstenGeburtstagdesDenkmalsging
derMünchner Professor ThomasNipperdey 1975 davon aus, dass die Varus-
schlacht »nicht einmalmehrBildungs-undWissensinhalt« sei.103
Dennochgabesauchinden1970erJahrennochtraditionellereDarstellungen
98 Hans Ebeling undWolfgang Birkenfeld,Reise in dieVergangenheit 1, Neuausgabe, Braun-
schweig:Westermann,1970,120.
99 UlrichMayer, »Neubeginn oderWiederanfang? Geschichtsdidaktik imWestenDeutsch-
lands«, in:WolfgangHasbergundManfredSeidenfuß(Hg.),Modernisierung imUmbruch.
GeschichtsdidaktikundGeschichtsunterrichtnach1945, Berlin:Lit, 2006, 99–112, 112.
100 Dieter Timpe, Arminius-Studien, Heidelberg: Carl Winter Universitätsverlag, 1970. Die
InterpretationvonTimpehatsichnichtdurchgesetzt,abereinerEntmythologisierungund
Entheroisierung des Arminius zugearbeitet; vgl. Losemann,Denkmäler, völkische Bewe-
gung, 258.
101 ReinhardWenskus,StammesbildungundVerfassung.DasWerdenderfrühmittelalterlichen
gentes, Köln,Wien:Böhlau, 2. unveränderteAuflage1977;KlausvonSee, »›Hermannder
Chersuker‹inderdeutschenGermanenideologie«,in:Ders.,TexteundThesen.Streitfragen
derdeutschenundskandinavischenGeschichte (FrankfurterBeiträgezurGermanistik38),
Heidelberg:UniversitätsverlagWinter, 2003, 63–100.
102 Dörner,PolitischerMythos, 370f.
103 ThomasNipperdey,»ZumJubiläumdesHermannsdenkmals«,in:GüntherEngelbert(Hg.),
Ein Jahrhundert Hermannsdenkmal 1875–1975, Detmold: Naturwissenschaftlicher und
historischerVerein fürdasLandLippe, 1975, 11–32, 11.
BjörnOnken80
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY
back to the
book Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern - Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag"
Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Title
- Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
- Subtitle
- Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Authors
- Roland Bernhard
- Susanne Grindel
- Felix Hinz
- Editor
- Christoph Kühberger
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0686-6
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 294
- Category
- Lehrbücher