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Schulbüchernwird das Thema seitdemwieder vermehrt aufgegriffen. Für die
Oberstufe sehen einige neueLehrpläne sogar ausdrücklich eineBeschäftigung
mitdermythischenVerklärungderVarusschlachtvor.109
Fazit
BeiderAnalysederDarstellungderVarusschlachtindeutschenSchulbüchernin
der Zeit Napoleons, des deutschen Kaiserreichs und der Bundesrepublik bis
2000 stößtmanauf vielfacheVerbindungender Schulbücher zumZeitgeist. In
diesemRahmen lässt sich zeigen, dass derHermannsmythosmit der Glorifi-
zierung derVarusschlacht zur Entscheidungsschlacht und die Stilisierung der
germanischen Kämpfer unter der Führung des Arminius zum ruhmreichen
Kern des deutschen Volkes am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts weit
verbreitetwaren.EbensobelegenSchulbücher,dassdiesernationaleMythos im
deutschen Kaiserreich weiterlebte, während in der Bundesrepublik eine Ent-
mythologisierung erfolgte. Bei genauererBetrachtung erkenntman jedochdie
Notwendigkeit zu differenzieren. In keinem der drei Betrachtungszeiträume
kann sich eine bestimmte Version des Mythos in der Schulbuchlandschaft
durchsetzten, sodassdieSchulbuchdarstellungen immereinbemerkenswertes
Spektrumaufwiesen.Besonders auffällig ist, dass imdeutschenKaiserreich, in
dem der Mythos in der Geschichtskultur prominent vertreten war, einige
SchulbücherdieVarusschlachtweitausnüchternerdarstelltenalsdas sehr ver-
breiteteBuchvonBredowausdenerstenJahrendesneunzehntenJahrhunderts.
Während demnach die Bücher amÜbergang zum zwanzigsten Jahrhundert
weniger vomMythosbeeinflusstwaren, als es die vorherrschendeAnsichtder
ForschungenüberdieGeschichtskulturerwartenließ,passtdieNähezahlreicher
Bücherder jungenBundesrepublik zumMythosnicht zumbisher zumeist an-
genommenenumfassendenRückzugdesHermannsmythos ausderüberregio-
nalenGeschichtskulturnach1945. Sieweist eheraufdieKontinuitätenhin, auf
die Volker Losemann aufmerksam gemacht hatte. Diskrepanzen zwischen
Schulbüchernund anderenQuellen zurGeschichtskultur solltenuns dazube-
wegen,einerseitsmitderunkritischenNutzungvonSchulbüchernalsQuellezur
Geschichtskultur vorsichtig zu sein. Denn Schulbücher sind nicht unbedingt
unmittelbareÄußerungendesZeitgeistes, sondernErgebnis eines nochwenig
erforschten Entstehungsprozesses im Spannungsfeld vieler Faktoren, wobei
geschichtswissenschaftliche und -kulturelle Entwicklungen in den Schulbü-
109 MiriamS8n8cheau, »DieGermanen sindwiederda.Archäologische, didaktische undge-
sellschaftspolitischePerspektivenauf ein altesThema inneuenLehrwerken«, in:Archäo-
logische Informationen35 (2012), 219–234.
BjörnOnken82
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY
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Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Title
- Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
- Subtitle
- Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Authors
- Roland Bernhard
- Susanne Grindel
- Felix Hinz
- Editor
- Christoph Kühberger
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0686-6
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 294
- Category
- Lehrbücher