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Den ersten Anstoss, von meinen Hypothesen ĂĽber den Ursprung der Moral
Etwas zu verlautbaren, gab mir ein klares, sauberes und kluges, auch
altkluges BĂĽchlein, in welchem mir eine umgekehrte und perverse Art von
genealogischen Hypothesen, ihre eigentlich englische Art, zum ersten Male
deutlich entgegentrat, und das mich anzog – mit jener Anziehungskraft, die
alles Entgegengesetzte, alles Antipodische hat. Der Titel des BĂĽchleins war
»der Ursprung der moralischen Empfindungen«; sein Verfasser Dr. Paul Rée;
das Jahr seines Erscheinens 1877. Vielleicht habe ich niemals Etwas gelesen,
zu dem ich dermaassen, Satz fĂĽr Satz, Schluss fĂĽr Schluss, bei mir Nein
gesagt hätte wie zu diesem Buche: doch ganz ohne Verdruss und Ungeduld. In
dem vorher bezeichneten Werke, an dem ich damals arbeitete, nahm ich
gelegentlich und ungelegentlich auf die Sätze jenes Buchs Bezug, nicht indem
ich sie widerlegte – was habe ich mit Widerlegungen zu schaffen! – sondern,
wie es einem positiven Geiste zukommt, an Stelle des Unwahrscheinlichen
das Wahrscheinlichere setzend, unter Umständen an Stelle eines Irrthums
einen andern. Damals brachte ich, wie gesagt, zum ersten Male jene
Herkunfts-Hypothesen an’s Tageslicht, denen diese Abhandlungen gewidmet
sind, mit Ungeschick, wie ich mir selbst am letzten verbergen möchte, noch
unfrei, noch ohne eine eigne Sprache fĂĽr diese eignen Dinge und mit
mancherlei Rückfälligkeit und Schwankung. Im Einzelnen vergleiche man,
was ich Menschl. Allzumenschl. S. 51 ĂĽber die doppelte Vorgeschichte von
Gut und Böse sage (nämlich aus der Sphäre der Vornehmen und der der
Sklaven); insgleichen S. 119 ff. ĂĽber Werth und Herkunft der asketischen
Moral; insgleichen S. 78. 82. II, 35 über die »Sittlichkeit der Sitte«, jene viel
ältere und ursprünglichere Art Moral, welche toto coelo von der altruistischen
Werthungsweise abliegt (in der Dr. RĂ©e, gleich allen englischen
Moralgenealogen, die moralische Werthungsweise an sich sieht); insgleichen
S. 74. Wanderer S. 29. Morgenr. S. 99 ĂĽber die Herkunft der Gerechtigkeit als
eines Ausgleichs zwischen ungefähr Gleich-Mächtigen (Gleichgewicht als
Voraussetzung aller Verträge, folglich alles Rechts); insgleichen über die
Herkunft der Strafe Wand. S. 25. 34., fĂĽr die der terroristische Zweck weder
essentiell, noch ursprünglich ist (wie Dr. Rée meint: – er ist ihr vielmehr erst
eingelegt, unter bestimmten Umständen, und immer als ein Nebenbei, als
etwas Hinzukommendes).
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Zur Genealogie der Moral
- Title
- Zur Genealogie der Moral
- Author
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.0 cm
- Pages
- 148
- Category
- Geisteswissenschaften