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Zur Genealogie der Moral
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15 Im Glauben woran? In der Liebe wozu? In der Hoffnung worauf? – Diese Schwachen – irgendwann einmal nämlich wollen auch sie die Starken sein, es ist kein Zweifel, irgendwann soll auch ihr »Reich« kommen – »das Reich Gottes« heisst es schlechtweg bei ihnen, wie gesagt: man ist ja in Allem so demüthig! Schon um das zu erleben, hat man nöthig, lange zu leben, über den Tod hinaus, – ja man hat das ewige Leben nöthig, damit man sich auch ewig im »Reiche Gottes« schadlos halten kann für jenes Erden-Leben »im Glauben, in der Liebe, in der Hoffnung.« Schadlos wofür? Schadlos wodurch?… Dante hat sich, wie mich dünkt, gröblich vergriffen, als er, mit einer schreckeneinflössenden Ingenuität, jene Inschrift über das Thor zu seiner Hölle setzte »auch mich schuf die ewige Liebe«: – über dem Thore des christlichen Paradieses und seiner »ewigen Seligkeit« würde jedenfalls mit besserem Rechte die Inschrift stehen dürfen »auch mich schuf der ewige Hass« – gesetzt, dass eine Wahrheit über dem Thor zu einer Lüge stehen dürfte! Denn was ist die Seligkeit jenes Paradieses?… Wir würden es vielleicht schon errathen; aber besser ist es, dass es uns eine in solchen Dingen nicht zu unterschätzende Autorität ausdrücklich bezeugt, Thomas von Aquino, der grosse Lehrer und Heilige. »Beati in regno coelesti«, sagt er sanft wie ein Lamm, »videbunt poenas damnatorum, ut beatitudo illis magis complaceat.« Oder will man es in einer stärkeren Tonart hören, etwa aus dem Munde eines triumphirenden Kirchenvaters, der seinen Christen die grausamen Wollüste der öffentlichen Schauspiele widerrieth – warum doch? »Der Glaube bietet uns ja viel mehr, – sagt er, de spectac. c. 29 ss. –viel Stärkeres; Dank der Erlösung stehen uns ja ganz andre Freuden zu Gebote; an Stelle der Athleten haben wir unsre Märtyrer; wollen wir Blut, nun, so haben wir das Blut Christi… Aber was erwartet uns erst am Tage seiner Wiederkunft, seines Triumphes!« – und nun fährt er fort, der entzückte Visionär: »At enim supersunt alia spectacula, ille ultimus et perpetuus judicii dies, ille nationibus insperatus, ille derisus, cum tanta saeculi vetustas et tot ejus nativitates uno igne haurientur. Quae tunc spectaculi latitudo! Quid admirer! Quid rideam! Ubi gaudeam! Ubi exultem, spectans tot et tantos reges, qui in coelum recepti nuntiabantur, cum ipso Jove et ipsis suis testibus in imis tenebris congemescentes! Item praesides (die Provinzialstatthalter) persecutores dominici nominis saevioribus quam ipsi flammis saevierunt insultantibus contra Christianos liquescentes! Quos praeterea sapientes illos philosophos coram discipulis suis una conflagrantibus erubescentes, quibus nihil ad deum pertinere suadebant, quibus animas aut nullas aut non in pristina corpora redituras affirmabant! Etiam poëtàs non ad Rhadamanti nec ad Minois, sed ad inopinati Christi
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Zur Genealogie der Moral
Title
Zur Genealogie der Moral
Author
Friedrich Wilhelm Nietzsche
Date
1887
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.0 cm
Pages
148
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorrede 2
  2. Erste Abhandlung: »Gut und Böse«, »Gut und Schlecht« 10
  3. Zweite Abhandlung: »Schuld«, »schlechtes Gewissen« und Verwandtes 40
  4. Dritte Abhandlung: was bedeuten asketische Ideale? 84
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