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– War es damit vorbei? Wurde jener grösste aller Ideal-Gegensätze damit für
alle Zeiten ad acta gelegt? Oder nur vertagt, auf lange vertagt?… Sollte es
nicht irgendwann einmal ein noch viel furchtbareres, viel länger vorbereitetes
Auflodern des alten Brandes geben müssen? Mehr noch: wäre nicht
gerade das aus allen Kräften zu wünschen? selbst zu wollen? selbst zu
fördern?… Wer an dieser Stelle anfängt, gleich meinen Lesern,
nachzudenken, weiter zu denken, der wird schwerlich bald damit zu Ende
kommen, – Grund genug für mich, selbst zu Ende zu kommen, vorausgesetzt,
dass es längst zur Genüge klar geworden ist, was ich will, was ich gerade mit
jener gefährlichen Losung will, welche meinem letzten Buche auf den Leib
geschrieben ist: »Jenseits von Gut und Böse«… Dies heisst zum
Mindesten nicht »Jenseits von Gut und Schlecht.« – –
Anmerkung. Ich nehme die Gelegenheit wahr, welche diese Abhandlung
mir giebt, um einen Wunsch öffentlich und förmlich auszudrücken, der von
mir bisher nur in gelegentlichem Gespräche mit Gelehrten geäussert worden
ist: dass nämlich irgend eine philosophische Fakultät sich durch eine Reihe
akademischer Preisausschreiben um die Förderung moral-historischerStudien
verdient machen möge: – vielleicht dient dies Buch dazu, einen kräftigen
Anstoss gerade in solcher Richtung zu geben. In Hinsicht auf eine
Möglichkeit dieser Art sei die nachstehende Frage in Vorschlag gebracht: sie
verdient ebenso sehr die Aufmerksamkeit der Philologen und Historiker als
die der eigentlichen Philosophie-Gelehrten von Beruf.
»Welche Fingerzeige giebt die Sprachwissenschaft, insbesondere die
etymologische Forschung, fĂĽr die Entwicklungsgeschichte der moralischen
Begriffe ab?«
– Andrerseits ist es freilich ebenso nöthig, die Theilnahme der Physiologen
und Mediciner fĂĽr diese Probleme (vomWerthe der bisherigen
Werthschätzungen) zu gewinnen: wobei es den Fach-Philosophen überlassen
sein mag, auch in diesem einzelnen Falle die FĂĽrsprecher und Vermittler zu
machen, nachdem es ihnen im Ganzen gelungen ist, das ursprĂĽnglich so
spröde, so misstrauische Verhältniss zwischen Philosophie, Physiologie und
Medicin in den freundschaftlichsten und fruchtbringendsten Austausch
umzugestalten. In der That bedürfen alle Gütertafeln, alle »du sollst«, von
denen die Geschichte oder die ethnologische Forschung weiss, zunächst
der physiologischen Beleuchtung und Ausdeutung, eher jedenfalls noch als
der psychologischen; alle insgleichen warten auf eine Kritik von seiten der
medicinischen Wissenschaft. Die Frage: was ist diese oder jene GĂĽtertafel
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Zur Genealogie der Moral
- Title
- Zur Genealogie der Moral
- Author
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.0 cm
- Pages
- 148
- Category
- Geisteswissenschaften