Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geisteswissenschaften
Zur Genealogie der Moral
Page - 114 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 114 - in Zur Genealogie der Moral

Image of the Page - 114 -

Image of the Page - 114 - in Zur Genealogie der Moral

Text of the Page - 114 -

Gebrauch vom moralischen Bumbum macht: Dühring, das erste Moral- Grossmaul, das es jetzt giebt, selbst noch unter seines Gleichen, den Antisemiten). Das sind alles Menschen des Ressentiment, diese physiologisch Verunglückten und Wurmstichigen, ein ganzes zitterndes Erdreich unterirdischer Rache, unerschöpflich, unersättlich in Ausbrüchen gegen die Glücklichen und ebenso in Maskeraden der Rache, in Vorwänden zur Rache: wann würden sie eigentlich zu ihrem letzten, feinsten, sublimsten Triumph der Rache kommen? Dann unzweifelhaft, wenn es ihnen gelänge, ihr eignes Elend, alles Elend überhaupt den Glücklichen in’s Gewissen zu schieben: so dass diese sich eines Tags ihres Glücks zu schämen bekönnen und vielleicht unter einander sich sagten: »es ist eine Schande, glücklich zu sein! es giebt zu viel Elend!«… Aber es könnte gar kein grösseres und verhängnissvolleres Missverständniss geben, als wenn dergestalt die Glücklichen, die Wohlgerathenen, die Mächtigen an Leib und Seele anfiengen, an ihrem Recht auf Glück zu zweifeln. Fort mit dieser »verkehrten Welt«! Fort mit dieser schändlichen Verweichlichung des Gefühls! Dass die Kranken nicht die Gesunden krank machen – und dies wäre eine solche Verweichlichung – das sollte doch der oberste Gesichtspunkt auf Erden sein: – dazu aber gehört vor allen Dingen, dass die Gesunden von den Kranken abgetrennt bleiben, behütet selbst vor dem Anblick der Kranken, dass sie sich nicht mit den Kranken verwechseln. Oder wäre es etwa ihre Aufgabe, Krankenwärter oder Ärzte zu sein?… Aber sie könnten ihre Aufgabe gar nicht schlimmer verkennen und verleugnen, – das Höhere soll sich nicht zum Werkzeug des Niedrigeren herabwürdigen, das Pathos der Distanz soll in alle Ewigkeit auch die Aufgaben aus einander halten! Ihr Recht, dazusein, das Vorrecht der Glocke mit vollem Klange vor der misstönigen, zersprungenen, ist ja ein tausendfach grösseres: sie allein sind die Bürgen der Zukunft, sie allein sind verpflichtet für die Menschen-Zukunft. Was siekönnen, was sie sollen, das dürften niemals Kranke können und sollen: aber damit sie können, was nur sie sollen, wie stünde es ihnen noch frei, den Arzt, den Trostbringer, den »Heiland« der Kranken zu machen?… Und darum gute Luft! gute Luft! Und weg jedenfalls aus der Nähe von allen Irren- und Krankenhäusern der Cultur! Und darum gute Gesellschaft, unsreGesellschaft! Oder Einsamkeit, wenn es sein muss! Aber weg jedenfalls von den üblen Dünsten der innewendigen Verderbniss und des heimlichen Kranken-Wurmfrasses!… Damit wir uns selbst nämlich, meine Freunde, wenigstens eine Weile noch gegen die zwei schlimmsten Seuchen vertheidigen, die gerade für uns aufgespart sein mögen, – gegen dengrossen Ekel am Menschen! gegen das grosse Mitleid mit dem Menschen!…
back to the  book Zur Genealogie der Moral"
Zur Genealogie der Moral
Title
Zur Genealogie der Moral
Author
Friedrich Wilhelm Nietzsche
Date
1887
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.0 cm
Pages
148
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorrede 2
  2. Erste Abhandlung: »Gut und Böse«, »Gut und Schlecht« 10
  3. Zweite Abhandlung: »Schuld«, »schlechtes Gewissen« und Verwandtes 40
  4. Dritte Abhandlung: was bedeuten asketische Ideale? 84
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Zur Genealogie der Moral