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Zur Genealogie der Moral
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Vereine, aufgewachsen auf dem untersten Boden der damaligen Gesellschaft, in denen mit Bewusstsein jenes Hauptmittel gegen die Depression, die kleine Freude, die des gegenseitigen Wohlthuns gepflegt wurde, – vielleicht war dies damals etwas Neues, eine eigentliche Entdeckung? In einem dergestalt hervorgerufnen »Willen zur Gegenseitigkeit«, zur Heerdenbildung, zur »Gemeinde«, zum »Cönakel« muss nun wiederum jener damit, wenn auch im Kleinsten, erregte Wille zur Macht, zu einem neuen und viel volleren Ausbruch kommen: die Heerdenbildung ist im Kampf mit der Depression ein wesentlicher Schritt und Sieg. Im Wachsen der Gemeinde erstarkt auch für den Einzelnen ein neues Interesse, das ihn oft genug über das Persönlichste seines Missmuths, seine Abneigung gegen sich (die »despectio sui« des Geulinx) hinweghebt. Alle Kranken, Krankhaften streben instinktiv, aus einem Verlangen nach Abschüttelung der dumpfen Unlust und des Schwächegefühls, nach einer Heerden-Organisation: der asketische Priester erräth diesen Instinkt und fördert ihn; wo es Heerden giebt, ist es der Schwäche-Instinkt, der die Heerde gewollt hat, und die Priester-Klugheit, die sie organisirt hat. Denn man übersehe dies nicht: die Starken streben ebenso naturnothwendig aus einander, als die Schwachen zu einander; wenn erstere sich verbinden, so geschieht es nur in der Aussicht auf eine aggressive Gesammt-Aktion und Gesammt-Befriedigung ihres Willens zur Macht, mit vielem Widerstande des Einzel-Gewissens; letztere dagegen ordnen sich zusammen, mit Lust gerade an dieser Zusammenordnung, – ihr Instinkt ist dabei ebenso befriedigt, wie der Instinkt der geborenen »Herren« (das heisst der solitären Raubthier-Species Mensch) im Grunde durch Organisation gereizt und beunruhigt wird. Unter jeder Oligarchie liegt – die ganze Geschichte lehrt es – immer das tyrannische Gelüst versteckt; jede Oligarchie zittert beständig von der Spannung her, welche jeder Einzelne in ihr nöthig hat, Herr über dies Gelüst zu bleiben. (So war es zum Beispiel griechisch: Plato bezeugt es an hundert Stellen, Plato, der seines Gleichen kannte – und sich selbst… )
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Zur Genealogie der Moral
Title
Zur Genealogie der Moral
Author
Friedrich Wilhelm Nietzsche
Date
1887
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.0 cm
Pages
148
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorrede 2
  2. Erste Abhandlung: »Gut und Böse«, »Gut und Schlecht« 10
  3. Zweite Abhandlung: »Schuld«, »schlechtes Gewissen« und Verwandtes 40
  4. Dritte Abhandlung: was bedeuten asketische Ideale? 84
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