Page - 4 - in Österreichische Bürgerkunde
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ihrer selbstwillen,sondernauchweilihnenganzvonselbst dieFührung im poütischen
und gesellschaftlichen Leben zufällt. Dazu genügen aber nicht die gelegentlichen
Erfahrungen des täglichen Lebens. Wie in allen anderen Dingen muß man auch
hier was Rechtes gelernt haben, um was Rechtes zu leisten.
Wie soll das Buch beschaffen sein, das dazu verhilft? Was muß eine Bürger-
kunde für Gebildete bieten? Die Ansichten darüber gehen wohl sehr auseinander.
Ich habe die Frage auf meine Weise zu beantworten versucht undmöchtehieraus-
einandersetzen, von welchen Erwägungen ich mich bei derAuswahl undAnordnung
des Stoffes, bei dem Tone des Vortragesund bei den Literaturangaben leiten ließ.
Vor allem müssen wir uns über das Ziel der Bürgerkunde verständigen. Das
Ziel ist: wissenschaftliches Verständnis des Staates, das heißt
Einsicht in seinWesenund seine Aufgaben. Darumentwickle ich indem ersten Teile
meines Buches zunächst die Grundbegriffe der Staats- und Gesellschaftslehre,
deren Kenntnis Voraussetzung für das Verständnis eines jeden Staates, mithin
auch des eigenen ist. Hier wird auch das Wesen und die Gliederung des Rechtes
auseinandergesetzt ; die für die moderne Staatsauffassung wichtigen Staatstheorien
werden vorgeführtund es wird ein Überblick über das Stoffgebietund die Aufgaben
der einzelnen Rechts- und Staatswissenschaften gegeben.
In erster Linie handelt es sich aber nicht um die theoretische Erkenntnis des
Staates schlechthin, sondern um das lebendige Verständnis und Gefühl für den
eigenen Staat: für unser Österreich, dessen Bürgerw sind, und für die öster-
reichisch-ungarische Monarchie, in der die großen geschichtlichen Überlieferungen
des alten österreichischen Kaiserstaates fortleben. Die Kräfte und Bestrebungen,
die bei der Entstehung und Ausbildung des Staatswesens amWerke waren, prägen
sich in seinerVerfassungausund wirken bei derFortbildung derselben alspolitische
Motive nach. Nur als das Ergebnis geschichtlicher Entwicklung kann die Gegen-
wart verstanden werden. Darum sende ich der Darstellung der gegenwärtigen
Verfassung undVerwaltung eine geschichthche Übersicht über die Ausbildung des
Staatsgebietes, der Staatsgewalt und der Staatsverfassung voraus. Sie bildet den
zweiten Teil des Buches.
Die durch die geschichtliche Entwicklung bedingte staatsrechtliche Eigenart
der österreichisch-ungarischen Monarchie und ihrer Bestandteile wii'd im dritten
Teile gekennzeichnet. Derselbe unterrichtet gleichzeitig über den Widerstreit der
Meinungen, der hierüber zwischen den politischen Parteien und ihrenWortführern
in der Wissenschaft besteht. Nachdem damit eine allgemeine Übersicht gewonnen
ist,kann sich die folgende Darstellung in derHauptsacheaufÖsterreichbeschränken
die wichtigsten Bestimmungen der ungarischen Verfassung werden gelegentlich
zum Vergleiche herangezogen.
Die weiteren Teile des Buches gliedern den Stoff herkömmlicherweise nach
Verfassung und Verwaltung ; dazvNischen wü'd die Lehre von den Staatsfuuktionen
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book Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918