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16 /. Staat und Gesellschaft.
tionstechnikbedingteWirtschaftsordnung,mannigfacheWechsehvirkungenzwischen
dem Boden und seinen Bewohnern, bei welchennunmehr Heimatsgefühlund Vater-
landsliebe Wurzel fassen können^). Festere Ordnungen der Genossenschaft und der
Herrschaft werden um der erweitertenund vermehrten Gemeinschaftszwecke willen
aufgerichtet ; Sprache und Schrift umfassen die Gemeinschaft mit geistigen Banden.
Durch die Ausbildung derSprache wird derkommenden Generation der geistige
Besitz der vorhergehenden überliefert und die Kulturtradition gesichert; jetzt erst
kann sich die Entwicklung der Menschheit in ununterbrochen aufsteigender Linie
bewegen. Durch dieErfindungund vollends durch die Vervielfältigung der S chr i f t
wird die Überlieferung von den Menschen losgelöst und durch Raum und Zeit er-
streckt; der Enkel wird mit dem Ahnen, die Nähe mit der Ferne verbunden, der
Kreis gemeinsamen Bewußtseins weit über den Bereich persönlicher Einwirkung
hinaus erstreckt. Durch die alhnähliche Ausbildung religiöser Vorstellungen und
wissenschaftlicher Einsichten, durch Kunst und Poesie, Recht und Sitte erhält
jenes Bewußtsein immer reicheren und höheren Inhalt.
Das Bewußtsein der Gemeinsamkeit verstärkt alle Empfindungen, Anschau-
ungen und Bestrebungen weit über die bloße Summierung hinaus. Aus dem gleich-
artigenBewußtsein aller Einzelnen erwächst durch psychologische Wechselwü'kung
gleichsam ein K o 1 1 e k t iv b ew u ß t s e i n, aus dem gleichgerichteten Willen
aller Einzelnen ein K o 1 1 ek t ivw i 1 1 e. Wegen ihrer kräftigeren und nach-
haltigeren Wh'kung müssen sie als besondere gesellschaftliche Kräfte und Mächte
anerkannt werden. Jedermann gehört je nach seinen Anschauungen und Interessen
mehrfachen kollektiven Bewußtseinskreisen und Willensrichtungen an und wird
dadurch, nach verschiedenen Seiten hin anregend und angeregt, in die gesellschaft-
lichen Zusammenhänge einbezogen. Immer neue Motive zur Aussonderung gesell-
schaftlicher Gruppen schafft die fortsclu-eitende Kultur, indem sie die Menschen
selbstiger macht, zugleich aber auch ihrem Willen und ihrem Erkenntnisdrange
neue gemeinsame Ziele setzt, um welcher willen sie sich zusammenschließen. So
erhebt sich das gesellschaftliche Leben in immer größerer Freiheit und Mannig-
faltigkeit über die ursprüngliche Gebundenheit an die Abstammung und an die
Notdurft des Lebens.
Umfang und Geltung der einzelnen gesellschaftlichen Gruppen hängen von der
Ausdehnung und Dringlichkeit ihrer Interessen, sowie von der Art und Weise ab,
wie sie vertreten werden. Daraus ergibt sich eine gewisse Rangordnung der gesell-
schafthchenMotiveund ihrerInteressentenkreise. Diedadurchzusammengehaltenen
und von anderen getrennten Gruppen unterstützen oder bekämpfen einander je
nach der Richtung ihrer Bestrebungen. Der Inbegriff der Beziehungen, welche die
einzelnenMenschen zu Gruppenzusammenschließen und die sich weiterhin zwischen
diesen Gruppen ergeben, macht die Gesellschaft aus. Die Gesellschaft ist
kein starres Gebilde, sondern mit der motivierenden Kraft der Interessen und den
Reaktionen, die sie auslösen, in stetem Flusse begriffen. Ihr jeweihger Zustand ist
gleichsam das labile Gleichgewicht zwischen den in ilu: lebendigen Kräften, die
Wirkung des vorhergehenden, die Ursache des naclifolgenden. Jede Änderung in
Stärke und Richtung der einen Kraft bewirkt, daß zunächst die davon freundlich
^) Poetische Verherrlichung in Schillers Gedicht „Das Eleusische Fest". Es war zuerst über-
schrieben: Das Bürgerlied.
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book Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918