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62 XI. Die GesamtmonarcMe.
ihrer Behandlung: das österreichische Gesetz vom 21. Dezember 1867, K.-G.-Bl.
Nr. 146 und der ungarische Gesetzartikel XII vom Jahre 1867. Durch diese
Gesetze ist die in der absolutistischen Zeit begründete Gemeinschaft indem inneren
Staatsrechte der beiden Gliedstaaten gleichzeitig mit ihrer endgültigen Gestaltung
als Verfassungsstaaten festgelegt worden^). Eine Keihe weiterer Gesetze bezweckt
die periodische Erneuerung und die Durchführung des wirtschafthchen Ausgleiches,
sowie die Gleichartigkeit des Wehrsystems.
Die Gesetze über die gemeinsamen und die gleichartig verwalteten Angelegen-
heiten unterscheiden sich nicht durch ihre Form, aber durch die Art ihresZustande-
kommens von den sonstigenGesetzen der beiden Gliedstaaten. Sie sindpaktierte
Gesetze, indem sie auf gegenseitig verbindüchenVereinbarungen beruhen, die von
keinem der beiden Staaten ohne Kechtsbruch einseitig abgeändert werden können.
Denn für jeden derselben war die gleichartige Eegelung der Gemeinschaft durch die
Gesetzgebung des andern Teiles Voraussetzung und Motiv der eigenen dai-auf ab-
zielenden Gesetzgebung. Da die Gesetzgebung eines jeden Staates souverän ist,
liegt die Gewähr für die Aufrechthaltung der gesetzlichen Gemeinsamkeit zuletzt
in der Gemeinsamkeit des Monarchen, ohne dessen Sanktion kein Gesetz zustande
kommen, aufgehoben oder abgeändert werden kann. Damit fällt dem Monarchen
die Kolle des Hüters der Einheit und des Schiedsrichters bei abweichenden Ab-
sichten der beiderseitigen Gesetzgebungen und bei verschiedenen Auffassungen der
beiderseitigen Kegierungen über die Auslegung der Ausgleichsgesetze zu.
3. Die gemeinsamen Angelegenheiten.
Als beiden Ghedstaaten der Monarchie gemeinsam werden durch die beiden
oben erwähnten Gesetze erklärt: a) die auswärtigen Angelegenheiten mit Einschluß
der diplomatischen und kommerziellen Vertretung dem Auslande gegenüber,
sowie die in Betreff der internationalen Verträge etwa notwendigen Verfügungen;
h) das Kriegswesen mit Inbegriff der Kriegsmarine; c)dasFinanzwesenrücksichthch
der gemeinschafthch zu bestreitenden Auslagen, insbesondere die Feststellung
des diesbezüglichen Budgets und die Prüfung der darauf bezüglichen Rechnungen,
wozu noch der Abschluß, die Verwaltung und Rückzahlung allfälliger gemeinsamer
Darlehen kommt.
Wichtige Einschränkungen bestehen jedoch in folgenden Punkten: Zu a)
Soweit die Genehmigung internationaler Verträge verfassungsmäßig notwendig ist,
bleibt sie denVertretungskörpern der beidenReichshäKten vorbehalten. Zu i). Aus
der Gemeinsamkeit sind ausgeschieden die Reki-utenbewiUigung und die Gesetz-
gebung über die Art und Weise der Erfüllung der Wehrpflicht, sowie die damit zu-
sammenhängendenVerhältnisse. Zuc). DieEntscheidung der.Frage, ob ein gemein-
sames Anlehen aufzunehmen ist, bleibt der Gesetzgebung der beiden Reichshälfteu
vorbehalten.
Nur die gemeinsame Verwaltung dieser Angelegenheiten, nicht auch eine ge-
meinsame Gesetzgebung über dieselben ist vorgesehen. Diese Verwaltung wird
durch ein g em e in s a ra e s verantwortliches Ministerium ge-
führt, dasvondenbesonderen Regierungsgeschäften der Gliedstaatenausgeschlossen
') Vergl. Dr. Ivan Z o 1g e r, „Der staatsrechtliche Ausgleich zwischen Österreich und
Ungarn", Leipzig 1911.
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Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918