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Vor 1918
Österreichische Bürgerkunde
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XII. Der österreichische Staat. 67 zeit entgegen. Zentralismus oder Föderalismus — Einheitsstaat oder zusammen- gesetzter Staat? Das sind die politischen und staatsrechthchen Gegensätze, mit welchen jede österreichische Verfassung sich auseinandersetzen muß. Was steckt hinter diesen Schlagworten und den Verfassungsformen, die ihnen ent- sprechen ? DerFöderalismus willdie staatsrechtüche Selbständigkeit der einzelnen Länder, wie sie in der ständischen Zeit bestand, erneuern und zur Grundlage der Staatsverfassung machen. Er beruft sich dabei nicht nur auf die geschichthche Überlieferung, sondern auch auf die weitgehenden nationalen, wirtschafthchen und Kulturunterschiede zwischen den einzelnenLändern, denen Gesetzgebung und Ver- waltung sich anpassen müssen. Daher seiderWirkungskreis derLandesvertretungen aufdem Gebiete der Gesetzgebungdem Reichsrate alsdem österreichischen Zentral- parlamentegegenüber, aufdem GebietederVerwaltungder Staatsverwaltunggegen- über möglichst weit zu ziehen. Beides pflegtman alsA u t o n om i e zu bezeichnen, obwohl das Wort mehr das Recht der Selbstsatzung als das der Selbstverwaltung bezeichnet.Durch dieErweiterung derAutonomie will derFöderalismus dieLandes- verbände zum Unterbau der staatHchen Organisation machen und ihnen wichtige Aufgaben zuweisen, die der Zentraüsmus für den Staat in Anspruch nimmt. Indem so die Beziehungen der Staatsbürger zum Staate vermindert, zum Landesverbände bereichert werden, wird auch das Bewußtsein der Staatszugehörigkeit mit aUen seinen Pflichten und Rechten abgeschwächt und durch den Gefühlsinhalt engerer Landeszugehörigkeit ersetzt, der leicht eine nationale Färbung annimmt. Die föderalistischen Bestrebungen gingen ursprünghch von jenen Kreisen aus, die schon in der Ständezeit die gesellschafthche und poMtischeFührung innehatten. Sie hofften damit ihre führende Stellung auch im Verfassungsstaate zu behaupten. Aus nationalen und wirtschaftlichen Beweggründen schlössen sich ihnen weitere Volksscliichten an. Denn die Autonomie entspricht ihren nationalen Wünschen: sie erleichtert es, die Gesetzgebung und Selbstverwaltung der Länder nach den Bedürfnissen der nationalen Meln^heit einzurichten und die Steuerkraft des Landes im Sinne der daselbst herrschenden Parteien für die Selbstverwaltung auszunützen. Der Zentralismus nimmt den gegenteiligen Standpunkt ein. Er wiU die schon durch den Absolutismus geschaffene EinheitHchkeit der Gesetzgebung und Verwaltung waliren, daher die Stellung des Zentralparlaments und der Staats- verwaltung durch die Vertretungs- und Selbstverwaltungskörper der Länder nicht schmälern lassen. So hofft er, die Verschiedenheiten zwischenden einzelnenLändern einigermaßen auszugleichen und das Band staatlicher Gemeinschaft zu festigen, nicht nur im Interesse des Staates, sondern auch der Länder. Die EinheitHchkeit der Gesetzgebung und Verwaltung sind diejenigen gesellschaftlichen Schichten zu wahren bestrebt, welche Volkswirtschaft, Sozialpolitikund geistige Kulturmöghchst gleichförmig auszubilden, die Stellung und Leistungsfähigkeit des Reiches nach außen hin zu behaupten und den Einfluß Österreichs auf die gemeinsamen An- gelegenlieiten zu verstärken wünschen. Die nationalen Sonderbestrebungen werden dmxh den Zentralismus insofern gehemmt, als sich im Reichsverbande eine andere nationale Gruppierung ergibt als in den Ländern; dadurch wird das Kräfte- verhältnis der nationalen Parteien einigermaßen ausgeghchen und die Ausnützung nationaler Übermacht erschwert. Die engere Verbindung der einzelnen Reichsteile erheischt den Verkelu- in einer aUen Beteihgten geläufigen Sprache und trägt so
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Österreichische Bürgerkunde
Title
Österreichische Bürgerkunde
Author
Heinrich Rauchberg
Publisher
Verlag von F. Tempsky
Location
Wien
Date
1911
Language
German
License
PD
Size
16.4 x 24.0 cm
Pages
278
Categories
Geschichte Vor 1918
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