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XVI. Der Monarch und die Dynastie. 77
XVI. Der Monarch und die Dynastie.
Wie schon im V. Kapitel dargetan worden ist, nennen wir solche Staaten
Monarchien, die von einer physischen Person beherrscht werden, deren Wille
rechtlich als der höchste im Staate gilt und von keinem anderen irdischen Willen
abgeleitet ist. Auf diese seine Stellung als höchstes Staatsorgan hat der Monarch
der Verfassung gemäß Anspruch: sie ist sein eigenes (subjektives) Kecht. Dem
.
monarchischen Prinzip zufolge^) erscheint die Bindung an die Zustimmung des
Parlamentes bei der Gesetzgebung und an die Gegenzeichnung der Minister bei
der Ausübung der Regierungsgewalt lediglich als eine selbstgewollte Einschränkung
seiner früheren unbeschränkten Machtvollkommenheit ; sie reicht nicht weiter, als
die Verfassung es anordnet.
Dasmonarchische Prinzip istgeschichtlich begründet inderLeistung
der Dynastien für den Staat. Besonders deutlich erhellt dies aus der Entstehungs-
geschichte des Habsburgerreiches, das durch seine Dynastie geschaffen worden ist^).
Und die Art seiner Entstehung wirkt bis in die Gegenwart nach: noch immer ver-
einen sich alle Bande des staatlichen Zusammenhaltes im Kaiser und im Kaiser-
hause. Durch den Übergang vom Absolutismus zum Konstitutionalismus sind die
zentraleMachtstellung des Monarchenund die RollederDynastienurnochwichtiger
geworden. Als Träger der geschichtüchen Traditionen, auf welcher der Bestand
des Reiches beruht, und alsVerkörperung der allen seinen Volksstämmen gemein-
samen, wenn auch nichtimmer klarbewußten Interessen bilden sie das notwendige
Gegengewicht gegen den nationalen Egoismus und gegen die Sonderbestrebungen
derLänder, denen die konstitutionellen Einrichtungen freieren Spielraumgewähren.
Die „dualistische" Gestaltung des Reiches wirkt auf die Art und Weise zurück,
wiedieVerfassungenÖsterreichsundUngarnsdieHerrscherbefugnissedesMonarchen
der konstitutionellenRechtsordnung einfügen. InÖsterreich ist dasdurch das bereits
erwähnte Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 über die Ausübung der
Regierungs- und Vollzugsgewalt geschehen.
Die a%emeine Rechtsstellung des Monarchen^) gipfelt in der unmittelbaren
Vertretung des Staates, vermöge welcher der Wille des Kaisers als der Wille
des Staates gilt. Die besonderen staatsrechtlichen Verhältnisse der Österreichisch-
ungarischenMonarchie bringen es mit sich, daß dergemeinsameMonarch gleichsam
zwei Herrscherpersönlichkeiten, die des Kaisers von Österreich und des Königs von
Ungarn in sich vereinigt und nicht nur jeden dieser beiden Gliedstaaten sondern
in den ihnen gemeinsamen Angelegenheiten auch die Gesamtmonarchie beherrscht
und vertritt.
Die Machtfülle des von ihm vertretenen Staates spiegelt sich in der obersten
Ehrenstellung, in der Majestät des Monarchen: in Titel und Prädikat,
Hofstaat und besonderer Stellung im öffentüchen und privaten Rechte. Bezog sich
der mit dem Patente vom 11. August 1804 angenommene österreichische Kaiser-
titel auf sämtliche Länder des Habsburgerreiches, so wird der duahstischen Gestal-
tung des Reiches seit 1868dadurchRechnung getragen, daß der TiteldesMonarchen
bei souveränen Akten, insbesondere bei Staatsverträgen lautet „Kaiser von Öster-
reich, König von Böhmen usw. und apostolischer König von Ungarn". Der Titel
1) Vergl. das V. Kapitel, S. 33. — ^) Vergl. das IX. Kapitel, insbes. S. 45.— ') Vergl.
Friedrich Tezner, ,,Der Kaiser". Wien 1909.
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Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918